Osterurlaub vom Mob
Von Jana Bollmann
Osterurlaub vom Mob
Gyöngyöspata.– Ein ungarisches Dorf zieht gegen Roma zu Felde.
Ungarn war im letzten Jahr immer wieder in den Schlagzeilen. Es gab wiederholt Mordanschläge auf Romafamilien. Die rechtsextreme Partei Jobbik hat nicht erst seit den letzten Parlamentswahlen großen Erfolg. Jana Bollmann vom Roma Center Göttingen war mit Jugendlichen aus Deutschland, Polen, Bulgarien und Ungarn zu einer Recherche- und Begegnungsreise nach Gyöngyöspata – einem Dorf, das von rechtsextremen „Bürgerwehren“ zum Schutz der Anwohner vor angeblicher „Zigeunerkriminalität“ belagert wurde.
In den Nachrichten hatten wir schon einiges über das kleine Dorf unweit von Budapest erfahren. Die etwas mehr als 400 Roma, die am Rande des Dorfes leben, wurden von Bürgerwehren belagert, schikaniert und in einigen Fällen sogar attackiert. Die Bürgerwehren stehen der rechtsextremen Partei Jobbik nahe und gelten als Nachfolgeorganisationen der mittlerweile verbotenen Ungarischen Garde.
An Ostern eskaliert schließlich die Situation vor Ort, so dass Frauen und Kinder vom Roten Kreuz evakuiert werden müssen. Nur die Männer bleiben zum Schutz der Häuser zurück. Später bestreitet die Regierung und das Rote Kreuz, dass es je eine Evakuierung gegeben hätte. Stattdessen ist die Rede von einem „Osterurlaub“, der für die mittellosen Roma aus Mildtätigkeit organisiert worden sei. Die vorangegangenen Aufmärsche im Dorf werden zu einem „Hilferuf der Dorfeinwohner gegen die kriminellen Aktivitäten der Roma“ hochstilisiert: Hilflosen alten Frauen sei wiederholt Obst sowie Holz gestohlen worden.
Unsere Recherchen ergeben: In den letzten zehn Jahren wurde von allen aufgeklärten Verbrechen im Dorf nur ein einziges von einem Roma begangen. In der Realität ist also von dieser angeblichen „Zigeunerkriminalität“ keine Spur. Wir führen ein längeres Interview mit dem Romasprecher des Dorfes. Er schildert uns die Geschehnisse und erklärt ernst zu der Evakuierung: „Ich liebe meine Frau sehr! Seitdem wir verheiratet sind habe ich sie keinen Tag alleine gelassen. Warum sollte ich sie also alleine mit meinen Kindern wegschicken, wenn ich nicht ernsthaft um ihr Leben gefürchtet hätte? Ostern ist für uns ein heiliges Fest, an dem die Familie zusammen sein sollte!“