Vogelfrei in Vorpommern

Ein Interview von Anke Lübbert

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Wiederholt handelt die Demminer Ausländerbehörde (Mecklenburg-Vorpommern) ohne Augenmaß und den nötigen Respekt vor den Rechten von Asylbewerbern und Asylbewerberinnen. Im Mai endete ein Abschiebeversuch an einer armenischen Familie vorzeitig am Frankfurter Flughafen – die Behörde hatte sich über die Prüfung von Abschiebehindernissen hinweggesetzt

Seit dem 11. Mai ist das Leben von Mariam Pachlavuni* nicht mehr wie vorher. Kurz nach Mitternacht klingelt es an der Tür. Draußen stehen Polizisten und Polizistinnen und ein Mitarbeiter der Demminer Ausländerbehörde. Die Pachlavunis müssen in der Dunkelheit ihre beiden schlafenden Kinder wecken, dann haben sie etwa eine Stunde Zeit, um ihre Sachen zu packen. „Ich kann jetzt nicht los, ich habe doch so viel geübt“, weint die 12-jährige Tochter, die am nächsten Morgen ein Flötenvorspiel in der Schule hat.

Seit ihrer Ankunft in Deutschland 2002 hat Mariam Pachlavuni Angst davor, wieder in ihre Heimat zurückgeschickt zu werden. Weil sie an einer posttraumatischen Belastungsstörung und anderen psychischen Krankheiten leidet, war sie in den vergangenen Jahren immer wieder in therapeutischer Behandlung. Um der selbstmordgefährdeten Frau die Angst vor der Abschiebung zu nehmen, hatte ihr Anwalt eine Vereinbarung mit der Demminer Ausländerbehörde getroffen: Die Reisefähigkeit der 39-jährigen Armenierin soll vor einer möglichen Abschiebung amtsärztlich überprüft werden. Die Vereinbarung liegt schriftlich vor. Bis zum 11. Mai hat es keine Untersuchung gegeben.

Für Mariam Pachlavuni sind die folgenden Stunden ein Alptraum. „Ich habe gesagt, dass ich nicht ausreisen kann, dass ich krank bin“, sagt sie. Der Mitarbeiter der Ausländerbehörde habe nur gelacht. Da den Pachlavunis noch in der Wohnung die Handys abgenommen wurden, können sie ihren Anwalt nicht informieren. Auf dem Weg zum Flughafen in Frankfurt am Main bitten sie immer wieder darum, kurz telefonieren zu dürfen. Die Polizisten und Polizistinnen schütteln die Köpfe. Erst am Flughafen, eine halbe Stunde vor dem geplanten Abflug, bekommen sie endlich ihre Telefone ausgehändigt. „Ich glaube, die haben nicht damit gerechnet, dass wir nun noch eine Chance haben“, sagt Mariam Pachlavuni. Aber es gelingt ihnen, den Anwalt zu informieren, der in seiner Mittagspause Rechtsschutz beim Greifswalder Verwaltungsgericht ersucht. Gerade noch rechtzeitig vor dem Abflug kommt der Bescheid: Die Bundespolizei muss die Abschiebung abbrechen. Familie Pachlavunikann vorerst in Deutschland bleiben. In der Urteilsbegründung steht: „Wegen derzeitig fehlender weiterführender sachverständiger ärztlicher Feststellungen kann eine Reisefähigkeit nicht angenommen werden.“ Eine erzwungene Rückkehr könne fatale Folgen für Mariam Pachlavuni haben, heißt es weiter.

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