Bremen bleibt hart

Von Christian Jakob

Reisefähigkeit leicht gemacht

Bremer Ausländerbehörde bei der Beschaffung medizinischer Gutachten höchst produktiv

Die rot-grüne Bremer Regierung war 2007 ausdrücklich mit dem Anspruch angetreten, die Linie des von ihr abgelösten CDU-Innensenators zu beenden. Sie sprach sich gegen Kettenduldungen aus und versprach eine liberale Ausländer- und Flüchtlingspolitik. Die Bilanz der rot-grünen Koalition ist allerdings dank der Bremer Ausländerbehörde eher skandalös als erfreulich.

Es kommt selten vor, dass ein Minister in aller Öffentlichkeit seine eigene Behörde herunterputzt. Doch als Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) im Dezember 2010 wegen eines Abschiebeskandals im Parlament Rede und Antwort stehen musste, kam das Stadtamt nicht gut weg. „Vor sechs Monaten stand ich hier wegen eines ähnlichen Falls“, schimpfte Mäurer, „und damals habe ich gesagt: ‘Das darf sich nicht wiederholen’.“

Es wiederholte sich aber. Erneut hatte die Bremer Ausländerbehörde, die zum Stadtamt gehört, versucht, an warnenden Ärztinnen und Ärzten vorbei einen kranken Ausländer abzuschieben. Obwohl Kardiologinnen und Kardiologen eine Operation für nötig hielten, war der junge Inder Baldev Mukhoti mit einem schweren Herzfehler monatelang im Abschiebegewahrsam im Polizeipräsidium geblieben. Er litt an einer schweren Aortenklappeninsuffizienz, seine Herzklappe schloss nicht richtig. Trotzdem hielt die Ausländerbehörde an ihren Abschiebeplänen fest – selbst dann noch, als ein kardiologisches Gutachten die Wahrscheinlichkeit, dass Mukhoti eine Flugreise nicht überlebt, bei eins zu fünf ansiedelte. Mukhotis Anwältin hatte, nachdem die Ausländerbehörde Hinweise auf seinen Gesundheitszustand übergangen hatte, dafür gesorgt, dass ein Herzspezialist Mukhoti mit eigenem Gerät im Polizeigewahrsam untersuchte. Das Ergebnis: Eine Operation sei „dringlich“ geboten. Ein Langstreckenflug berge ein zwanzigprozentiges Risiko für eine „lebensbedrohliche Verschlechterung“. Der kardiologische Gesprächskreis der Bremer Ärztekammer teilte die Diagnose. Doch die Ausländerbehörde verwies auf die Stellungnahme des Polizeiarztes, der Mukhoti als haft- und reisefähig einstufte. Es bestehe „keine Veranlassung“ ihn zwecks einer Operation zu entlassen, schrieb die Behörde an die Anwältin. Der Polizeiarzt äußerte später, das Gutachten des Kardiologen gar nicht gekannt zu haben. Das von Mukhotis Anwältin angerufene Amtsgericht entschied schließlich, dass der Inder freigelassen und operiert werden müsse.

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