Notfallquote kratzt an Dublin

Von Ska Keller

Das Dublin-System hat vor allem Nachteile. Dies erkennen mittlerweile auch viele Mitgliedstaaten der EU und plädieren für einen Verteilungsschlüssel. Doch auch dieses Konzept birgt bislang kaum eine Verbesserung für Geflüchtete.

Menschen, die von Krieg, Verfolgung, Klimawandel oder welchen Gründen auch immer nach Europa fliehen, lernen, einmal angekommen, schnell eine neue Vokabel: „Dublin“. Dublin ist zum Synonym geworden für Abschiebehaft, monatelange Unsicherheit, Trennung von Familien, Verschleppung von Asylanträgen: Das Spiel mit Menschen im Namen eines politischen Theaters. Geflüchtete und ihre Unterstützerinnen und Unter- stützer wissen schon lange um das Leid, das Dublin verursacht. Doch neuerdings überlegen auch einige Regierungen, ob sie die Dublin-Verordnung eventuell ändern wollen. Denn auch aus einer Logik der Abschiebung heraus bringt Dublin wenig: Dänemark verschickt Flüchtlinge an Schweden, Schweden an Deutschland, Deutschland an Österreich, Österreich an Schweden. Da alle Sender und Empfänger gleichzeitig sind, ändert sich für viele Mitgliedstaaten die Zahl der Flüchtlinge, um die sie sich kümmern müssen, nur unerheblich.

Das Dublin-System, das die Zuständigkeit für Asylsuchende in der EU regelt, hat nur Nachteile. Trotzdem halten nach wie vor viele Mitgliedsstaaten daran fest. Denn Dublin ist auch ein politisches Versprechen, die Staaten zu bestrafen, die nicht genug gegen Migration tun. Zuständig für Schutz- suchende ist nämlich immer der Mitgliedstaat, in dem Asylsuchende zuerst ihren Fuß auf europäischen Boden gesetzt haben. Damit ist der Anreiz klar: Die Staaten sollen nichts unversucht lassen, Menschen draußen zu halten, damit sie ihr Recht auf internationalen Schutz nicht wahrnehmen können. Die Toten im Mittelmeer und die Zäune an den Außen- grenzen sind Zeugnis davon.

An Dublin schrauben: der Verteilungsschlüssel

Der Druck auf Dublin hat jedoch zugenommen: Die südlichen Grenzstaaten beschweren sich lautstark. Sogar die deutsche Bundesregierung ist mit Dublin nicht mehr zufrieden, seitdem Deutschland besonders viele Flüchtlinge zu versorgen hat. Andere Staaten mit niedrigen Flüchtlingszahlen sperren sich aber nach wie vor gegen eine Reform, sogar wenn sie nur vorübergehend greifen soll. Gerade hat die EU-Kommission vorgeschlagen, für den aktuellen Notfall der Überforderung Italiens und Griechenlands, einen Verteilungsschlüssel greifen zu lassen. Damit würden über die nächsten zwei Jahre 40.000 syrische und eritreische Flüchtlinge aus Italien und Griechenland auf andere EU-Länder umverteilt. Selbst gegen diese minimale Zahl gibt es Widerstand.
Der Verteilungsschlüssel für den Notfall ist ein Trippelschritt in die richtige Richtung. Die Solidarität zwischen den Mitgliedsstaaten wird durch 40.000 Plätze zwar eher symbolisch angegangen, aber immerhin. Flüchtlinge, die jetzt tage- und wochenlang auf griechischen Inseln oder Sizilien festhängen, können zumindest darauf hoffen, dass ihr Asylantrag im neuen Aufnahmeland schneller entschieden wird, als in den überforderten örtlichen Behörden.

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