Dublin ist tot. Es lebe Dublin.

Von Sebastian Muy

Das Dublin-System steckt in der Krise. Nur in einem kleinen Teil der Dublin-Fälle kommt es tatsächlich zu Überstellungen. Gerichtsentscheidungen, Kirchen und lokale Anti-Abschiebe-Initiativen erschweren den deutschen Behörden zusätzlich den Kampf gegen die Vollzugsdefizite. Die Bundesregierung scheint derweil hartnäckig am Zuständigkeitskriterium der irregulären Einreise festhalten zu wollen – und verschärft die Abschiebehaftgesetze.

Die schreckliche Schiffstragödie, bei der Mitte April etwa 150 Kilometer vor der libyschen Küste schätzungsweise 800 Menschen ihr Leben verloren, hat die Diskussion um die europäische Asylpolitik angefacht. Neben Debatten um Aufnahmelager in Nordafrika und Militäreinsätze gegen Schlepper wird zunehmend auch über Sinn und Unsinn der Dublin- III-Verordnung diskutiert. Sie legt fest, welcher Staat für die Prüfung eines Asylantrages zuständig ist. Das in der Praxis wichtigste Zuständigkeitskriterium ist dabei das der irregulären Einreise: Wenn eine Asylsuchende oder ein Asylsuchender „aus einem Drittstaat kommend die Land-, See- oder Luftgrenze eines Mitgliedstaats illegal überschritten hat“, ist dieser Staat für die Prüfung des Antrages zuständig, so heißt es in Artikel 13 der Verordnung. Die EU-Kommission fordert nun, dieses Prinzip durch eine Quotenregelung zu ergänzen: Anhand von Kriterien wie Bruttoinlandsprodukt, Bevölkerungszahl, Arbeits- losenrate und der bisherigen Zahl an Asylsuchenden sollen Geflüchtete bald auf andere europäische Staaten verteilt werden können, wenn der eigentlich zuständige Staat wegen der vielen Asylsuchenden in eine Notlage gerate.

Bundesregierung will die Quote nicht

Die Bundesregierung hält trotzdem hartnäckig am Verursacherprinzip der Dublin-Verordnung fest. Der deutsche Bundesinnenminister Thomas De Maizière erklärte Ende Mai gemeinsam mit seinem französischen Amtskollegen, Voraussetzung für ein Quotensystem sei, dass die EU-Außengrenzen stärker überwacht würden. Quotierte Umverteilungen sollten zudem die Ausnahme bleiben. Das Dublin-System und der Grundsatz der Zuständigkeit des Ersteinreisestaats müssten in Kraft bleiben. Emily Haber, Staatssekretärin im Bundesinnenministerium, warnte Ende April auf einer Konferenz des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration (SVR), die Axt an das Dublin-Kriterium der Einreise zu legen, hieße die Axt an das Ziel gemeinsamer Standards europäischer Asylpolitik anzulegen. Ein Quotensystem werde nicht funktionieren: Es würde einen riesigen Verwaltungsaufwand und innereuropäischen Verschiebebahnhof produzieren, und am Ende bleiben die Flüchtlinge ohnehin nicht da, wo sie nicht bleiben wollten.

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