Geld lässt sich besser verschieben als Menschen

Von Maren Leifker

Wo kommt das europäische Verschiebesystem eigentlich her? Die Geschichte von Dublin I bis III.

Flüchtlinge waren in Deutschland so lange willkommen, wie es keine gab. Bereits die erste große Flüchtlingswelle der 90er Jahre veranlasste Deutschland dazu, das Flüchtlingsrecht zu europäisieren, um eine europäische Lastenverteilung zu erreichen. Ein erster Schritt auf dem Weg dorthin war der sogenannte Asylkompromiss, mit dem 1993 das Asylgrundrecht in Deutschland faktisch abgeschafft wurde. Der neu geschaffene, mit deutlichen Einschränkungen versehene, Art. 16a Grundgesetz (GG), stellt einen Bezug zu einem europäischen Asylsystem her, das es zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht gab. Nach Abs. 2 kann sich auf das Asylgrundrecht seitdem nicht mehr berufen, wer aus einem „sicheren Drittstaat“ der Europäischen Union (EU) eingereist ist. Die Politik begründete die Änderung nicht nur mit der gestiegenen Zahl von Asylanträgen, sondern vor allem auch mit der Notwendigkeit, die Regelung in ein europäisches Asylsystem einzuordnen. Das deutsche Asylgrundrecht sei einzigartig in Europa und stehe damit einer europäischen Harmonisierung des Flüchtlingsrechts entgegen. Dass es den Mitgliedstaaten jederzeit freisteht, mehr Schutz zu gewähren, als es die europäischen Vorgaben vorsehen, zeigt bereits wie absurd diese Argumentation ist.

Deutschland erfand frühzeitig das Konzept „sicherer Drittstaaten“, um Asylanträge möglichst aussichtslos zu machen

Zudem gab es zu diesem Zeitpunkt noch keine europäischen Regelungen, die eine Orientierung des GG an der Herkunft aus „sicheren Drittstaaten“ erfordert hätten.
Vielmehr wurde dieses Konzept 1992 auf einer Londoner Konferenz zur Regelung von Asylverfahren erstmals vom deutschen Innenministerium in die Verhandlungen eingebracht und war den Teilnehmenden aus anderen Mitgliedstaaten bis dahin fremd.

Deutschlands Interesse an solch einer Konstruktion liegt klar auf der Hand. Als eines der Kernländer Europas betreten nur wenige Flüchtlinge zunächst deutschen Boden. Denn es ist praktisch unmöglich, unmittelbar nach Deutschland einzureisen, außer auf dem Luftweg, wofür ein Visum benötigt wird. Seit der EU-Osterweiterung 2004 ist Deutschland vollständig von Mitgliedstaaten umgeben. Jede Einreise auf dem Landweg führt seitdem über „sichere Drittstaaten“ und damit dazu, dass keine Aussicht auf eine Asylanerkennung in Deutschland besteht. Wie kam es dazu, dass auf europäischer Ebene überhaupt über ein gemeinsames Asylsystem diskutiert wurde, in welches Deutschland das Konzept „sicherer Drittstaaten“ einbringen konnte? Es sollte eine Ausgleichsmaßnahme gefunden werden für die mit dem Schengener Abkommen von 1985 verbundene Abschaffung interner Grenzkontrollen. Also beschlossen die EU-Mitglieder verstärkte Kontrollen der Außengrenzen sowie eine Vereinheitlichung der Regeln zur Einreise und zur Zuständigkeit für Asylanträge.

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