„Migration in kontrollierte Bahnen lenken“

Ein Interview von Till Schmidt

„Migration in kontrollierte Bahnen lenken“

Die International Organization for Migration (IOM) ist eine wichtige Akteurin im Migrations- und Asylbereich. Sie ist etwa an Umsiedelungsprogrammen für anerkannte Flüchtlinge beteiligt und betreibt Programme zur „freiwilligen Ausreise“. Till Schmidt sprach mit dem Sozialwissenschaftler Fabian Georgi über die Entstehungsgeschichte der IOM, ihre vielfältigen Aktivitäten und Gründe für ihren massiven Bedeutungsgewinn in den letzten Jahrzehnten.

Herr Georgi, welche Aufgaben nimmt die IOM wahr?

Die Aktivitäten der IOM kann man in fünf Kategorien fassen. Erstens unterstützt und forciert sie bestimmte Migrationsbewegungen. Zum Beispiel betreibt sie Programme für „zirkuläre“ Migration. Dabei gehen etwa Arbeiterinnen und Arbeiter aus Honduras nach Kanada, oder aus Kolumbien nach Spanien, um dort für nur einige Monate in der Landwirtschaft zu arbeiten, zu teils sehr schlechten Bedingungen. Zusammen mit dem UNHCR, dem United Nations High Commissioner for Refugees, organisiert die IOM Resettlement-Programme. Wenn sich etwa Australien entscheidet, als Gnadenakt 100 afghanische Flüchtlinge aus Pakistan aufzunehmen, dann organisiert die IOM den Transport.

Außerdem hilft die IOM Staaten, ihre Kontrollfähigkeiten gegenüber Migration auszubauen, das „Capacity Building for Migration Management“. Vor allem in peripheren Staaten, im Globalen Süden, hat die IOM teils großen Einfluss. Sie fungiert dort mit Hilfe lokaler Nichtregierungsorganisationen als verlängerter Arm der Industriestaaten und bildet Beamte und Grenzwachen aus oder schreibt Gesetzesvorlagen.

Darüber hinaus spielt die IOM selbst eine operative Rolle. Berüchtigte Beispiele sind PapuaNeuguinea und die Pazifikinsel Nauru, wo die IOM für Australien bis vor ein paar Jahren geschlossene Lager für Asylsuchende betrieben hat und heute über Rückkehrprogramme involviert ist. Auch in Deutschland betreibt die IOM solche Programme zur „freiwilligen Ausreise“. Bei diesen Programmen werden Leute vor die Wahl gestellt, entweder „freiwillig“ mit Hilfe der IOM in ihre „Heimat“ zu gehen oder gewaltsam abgeschoben zu werden.

Auf welchen weiteren Gebieten ist die IOM tätig?

Die IOM operiert auch als „normale“ humanitäre Hilfsorganisation, etwa nach dem Erdbeben auf Haiti 2010 oder heute bei den Bürgerkriegen in Libyen und Syrien. Vor allem transportiert sie Menschen und Hilfsgüter, betreibt aber auch Flüchtlingslager in den Krisenregionen. Finanziell sind diese Notfalleinsätze für die IOM sehr wichtig. Auch das positive Selbstbild vieler IOM-Angestellter speist sich daraus, Katastrophenund Kriegsopfern real helfen zu können.

Die IOM mischt sich schließlich auch in die Debatten über Migration ein und propagiert „Migrationsmanagement“. Das ist die programmatische Idee, mit der sie versucht, ihre Aktivitäten zusammenzuhalten. Es geht letztlich darum, die staatlichen Fähigkeiten zur Kontrolle von Migration in einem Grad auszubauen, der es ermöglicht, selbstbestimmte, vor allem vermeintlich „unnütze“ oder „gefährliche“ Bewegungen so weit zu kontrollieren, dass die internationale Mobilität nützlicher Arbeitskräfte und einiger anderer Gruppen politisch durchsetzbar wird. Perspektivisch streben hohe IOMVertreterinnen und -Vertreter dafür ein verbindliches globales Migrationsregime an, dem System der Welthandelsorganisation vergleichbar. Aber weil die Industriestaaten das strikt ablehnen, wird dieses Projekt nur vorsichtig verfolgt.

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