Bis an die Glasdecke

Ein Interview von Matthias Weinzierl

Bis an die Glasdecke

Im Herbst letzten Jahres sorgte eine Rundmail der Münchner Kammerspiele für erhebliche Irritationen: Ein Produktionsassistent suchte darin im Auftrag eines Gastregisseurs nach „migrantischen Mitspielern“ für ein Theaterprojekt. Die Art und Weise der Herangehensweise führte zu einer breiten Debatte über fehlgeleitete und fehlende migrantische Repräsentation im öffentlich subventioniertem Theaterbetrieb. Vorläufiger Höhepunkt war eine Podiumsdiskussion zwischen Intendanten der Münchner Theater und „migrantischen“ Kunstschaffenden. Dort erschienen die Fronten verhärtet. Die Hinterland lud daher die Autorin und Bloggerin Tunay Önder und den Autor, Dramaturgen und Theaterschaffenden Björn Bicker zu einem Gespräch. Ein Gespräch moderiert

Matthias: Was hat euch persönlich an dieser Rundmail total aufgeregt?

Tunay: Als ich die Rundmail gelesen habe, dachte ich mir, das geht nicht – das geht nicht. Und als der Produktionsassistent mich mehrmals gefragt hat: „Bitte erklär mir doch, was daran nicht geht“ da hab ich dann gemerkt, dass es nicht primär um die einzelnen Worte an sich geht, sondern um eine allgemeine Ausdrucksweise, die auf ein stereotypes Denken schließen lässt. Es war das, was zwischen den Zeilen stand und in eine gesamte Produktionsweise eingebunden war. Die fehlende Kompetenz dem Thema gegenüber und diese saloppe Art und Weise hat halt wirklich in eine Wunde getroffen.

Björn: Mir ging das genauso wie dir. Ich habe das gelesen und ich war ziemlich irritiert. Im ersten Moment dachte ich diffus: Hier stimmt irgendwas nicht. Wie das formuliert wurde, wie da mit Vokabeln umgegangen wurde. Das war plötzlich meilenweit hinter dem aktuellen Diskurs zurück. Das hat mich traurig gemacht, weil ich ja weiß, dass man sich an den Kammerspielen jahrelang sehr viel und sehr ernst – haft und vor allem gemeinsam mit migrantischen KünstlerInnen mit diesem Thema beschäftigt hat. Mit all den Projekten von „Bunnyhill“ über „Doing Identity“ bis „Munich Central“ hat man versucht den Theaterbetrieb von minus Zehn wenigsten mal auf Null zu bringen. Und dann kommt so ein Brief, als wäre nichts gewesen. Ich fürchte, dahinter steckt eine Art struktureller Arroganz der Hochkulturinstitution. Daher auch die Fehleinschätzung, man könne einen Künstler aus Belgien einkaufen, der dann mal eben über Aushänge irgend – welche Leute klarmacht für sein Kunstwerk. Ton und Arbeitsweise sind da ganz entscheidend.

Tunay: Ich frage mich, von wem diese Arroganz eigentlich ausgeht. Kommt die von einzelnen Personen, wie einem Assistenten und dessen Haltung oder kommt sie einfach von der Struktur dieser Institutionen.

(der ganze Artikel im PDF Format)