zitiert – kommentiert

Von Hubert Heinhold

„§ 1353 I 2 BGB hält die Ehegatten an, für einander

Verantwortung zu tragen. Diese Pflicht beinhaltet

wechselseitigen Beistand in Zeiten der Bedrängnis

und insbesondere in Zeiten besonderer körperlicher

und seelischer Belastungen.“

Das Leben hält für uns Menschen nicht nur Krankheiten als Bedrängnisse bereit. Der Verlust der „neuen Heimat“ durch eine Abschiebungsandrohung nach einem vergeblichen Asylantrag oder einer Ablehnung der Verlängerung eines Aufenthaltstitels oder nach einer Ausweisung gehört sicherlich auch dazu. Droht dann noch Abschiebehaft, wird man wohl von „Zeiten besonderer (…) seelischer Belastungen“ sprechen können.

Das Europäische Parlament und der Rat haben dem mit der sogenannten Rückführungs-Richtlinie (Art. 17 I der Richtlinie 2008/115/EG) Rechnung getragen, wenn es dort heißt, dass bei unbegleiteten Minderjährigen und „Familien mit Minderjährigen (…) Haft nur im äußersten Falle“ eingesetzt wird. Nach Absatz 2 müssen deshalb bis zur Abschiebung in Haft genommene Familien eine gesonderte Unterbringung erhalten, die ein angemessenes Maß an Privatsphäre gewährleistet.

Die deutsche Verwaltung scheint ein anderes Verständnis als das Europaparlament und das Bundesverfassungsgericht vom „verfassungsrechtlichen Schutz, der der ehelichen Lebensgemeinschaft gemäß Art. 6 I GG zukommt“ zu haben. Anders ist es nicht zu erklären, dass die deutsche Praxis glaubt, die europäische Vorgabe, Familien nur im äußersten Fall in Abschiebungs – haft nehmen zu dürfen, durch eine Trennung der Familie erfüllen zu können. Auf den Punkt gebracht hat dies das Bayerische Staatsministerium der Justiz und für Verbraucherschutz in einer Antwort auf eine Schriftliche Anfrage vom 10.11.11 (Drs. 16/10339): „Bei der Aufenthaltsbeendigung von Familien sind die bayerischen Ausländerbehörden aufgrund (…) § 62a I 2 und 3 AufenthG (…) gehalten, nur einen Ehepartner in Abschiebungshaft zu nehmen. Bei Familien mit minderjährigen Kindern entspricht dies der ständigen Voll – zugspraxis, wonach nur der Familienvater, nicht aber die Ehefrau und die minderjährigen Kinder inhaftiert werden sollen.“ Dass die scheinbare Fürsorglichkeit, Frauen und minderjährige Kinder nicht zu inhaftieren, sondern nur die Männer, vor allem der Tatsache geschuldet ist, dass es (nicht nur) in Bayern keine Einrichtungen gibt, in denen Familien gemeinsam untergebracht werden können, ist die eine Sache, dass das verfassungsrechtliche Beistandsgebot, das das Bundesverfassungsgericht (nicht nur) bei Abschiebungen hervorgehoben hat, missachtet wird, die andere.

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