Traveling Favela

Ein Interview von Till Schmidt

Traveling Favela

Kommerzielle Touren nach Rocinha in Rio de Janeiro stoßen bei internationalen Besucherinnen und Besuchern auf großes Interesse. Dem Wohnviertel haftet das Image der „größten Favela Lateinamerikas“ an. Till Schmidt sprach mit der Soziologin Bianca Freire-Medeiros über die Anfänge der Touren nach Rocinha, die stereotype Wahrnehmung von Favelas und Einschätzungen der lokalen Bevölkerung.

Wie hat das touristische Interesse an Rocinha begonnen?

Ironischerweise starteten die ersten Touren zu einem Zeitpunkt, als die brasilianische Regierung alles daran setzte, die Favelas aus der öffentlichen Wahrnehmung zu verbannen. Zur UN-Conference on Environment and Sustainable Development im Jahr 1992 kamen über 30 000 Menschen nach Rio, darunter Regierungsvertretungen, Journalisten und Journalistinnen und Leute von NGOs. Auf gesamtstaatlicher, föderaler und lokaler Ebene bemühte man sich damals darum, eine Atmosphäre von Ordnung und Sicherheit zu schaffen. So wurden während der Konferenz etwa Panzer an den Eingängen zu nahegelegenen Favelas postiert, und Soldaten patrouillierten in der Umgebung.

Allerdings organisierten während der Konferenz verschiedene lokale NGOs und Greenpeace Touren durch Rocinha. Delegierte, Abgesandte von internationalen NGOs sowie hunderte Journalistinnen und Journalisten nahmen daran teil. Mit den Touren wollte man nicht nur auf die prekären Wohn- und Lebensbedingungen hinweisen, sondern etwa auch darauf, dass für die Konferenz hunderte Straßenkinder gewaltsam aus den reicheren Stadtteilen in die Favelas gebracht wurden. Unterdessen begannen auch kommerzielle Agenturen damit, Touren nach Rocinha anzubieten – ungeplant und als Reaktion auf die entstehende, spontane Nachfrage internationaler Besucherinnen und Besucher. Daraus entwickelten sich die heutigen Touren, die inzwischen zum Mainstream-Tourismus in Rio gehören. 2006 wurde Rocinha in die Reihe der offiziellen touristischen Attraktionen der Stadt aufgenommen. Die Trips sind zu einer wirklich großen Angelegenheit geworden.

Inwiefern?

Es gibt inzwischen mehrere verschiedene Agenturen, die Touren anbieten – zu Fuß, mit Jeeps oder sogar auf dem Rücksitz von Motorrädern. Diese Entwicklung lässt sich auch auf die Hanglage von Rocinha zurückführen; von dort aus hat man eine sehr gute Aussicht auf Rio. Außerdem liegt das Viertel inmitten der wohlhabenden Südzone, in der sich auch die weltberühmten Strände Copacabana und Ipanema befinden. Viele Touristinnen und Touristen kombinieren ihren Besuch in Rocinha mit anderen Attraktionen, etwa dem Zuckerhut oder dem Botanischen Garten. Oft sind es gerade die Kontraste, die sie an Rio schätzen.

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