Ausschau nach Spuren
Von Johannes Spohr
Ausschau nach Spuren
Der Musiker Viktor Zoi und die Blockade von Leningrad.
Wer in Sankt Petersburg nur wenig Zeit zur Verfügung hat, sieht sich mit einer schwierigen Aufgabe konfrontiert – solange man sich nicht ausschließlich für das von ehemaligen aristokratischen Residenzen geprägte Zentrum der Stadt rund um die Prachtstraße Newski-Prospekt interessiert. Abseits davon lassen sich zeitgenössische Lebensrealitäten in der Metropole nicht ohne Weiteres ausmachen.
Die Pläne für meinen kurzen Aufenthalt beinhalteten keine gezielten Betrachtungen über das Leben in Sankt Petersburg. Kleine Erkundungen brachten mich aber immerhin mit Aspekten davon in Berührung. Dass mich meine Streifzüge ein Stück vom Zentrum wegbringen sollten, war mir sehr recht.
Die Figur Viktor Zoi fasziniert mich schon seit einiger Zeit, nicht nur wegen der Musik seiner Band, sondern auch aufgrund der Mythen und der nach wie vor aufgeladenen Symbolik um seine Person. Dass es bis heute Anknüpfungspunkte für Protest in seiner Musik gibt, war für mich Grund, nach Spuren Ausschau zu halten. Popikonen sind Personen mit Ikonengräbern, die sich in Ermangelung der Ikone selbst besuchen lassen.
Verzweifelte Jugendliche
Viktor Zoi war Kopf der Wave-Pop-Band Kino, eine der bedeutendsten Bands im Russland der (Pre-) Perestroika-Ära.1 Zoi wurde zum letzten großen Held der sowjetischen Jugend, bis er am 15. August 1990 bei einem Autounfall in Lettland mit 28 Jahren ums Leben kam. Ein Tape mit Gesangsaufnahmen, das Zoi mit sich führte, konnte gerettet und für das letzte Album von Kino („Schwarzes Album“) benutzt werden.
Bis heute machen viele Fans der Band den KGB für den Unfall verantwortlich. Für die sowjetischen Machthaber war sie ein unbeliebter Störfaktor. Auch wenn ihre Texte niemals offene Kritik am Regime beinhalteten, setzten sie bei der Jugend einigen Willen zur Veränderung frei. Das Lied „Peremen!“ („Veränderungen!“) brachte die Unzufriedenheit der jungen Generation in die Öffentlichkeit der Sowjet – union und machte den Namen Kino allseits bekannt