„Welcome Europe“

Von Stephan Dünnwald

Hohe Gerichte und flache Wasser

Die Politikwissenschaftlerin Sonja Buckel hat mit ihrem Buch „Welcome to Europe“ eine lesenswerte Analyse der Grenzen und Grenzziehungen des europäischen Migrationsrechts vorgelegt. Eine Rezension

Am 31. Januar 2007 setzte der Frachter Marine I vor der senegalesischen Küste einen Notruf ab. Das Schiff hatte einen Motorschaden, und die 369 Passagiere, Migrantinnen und Migranten aus Asien und Afrika mit Kurs auf die Kanarischen Inseln, befanden sich in akuter Seenot. Nach Wochen des Streits um Zu – ständigkeit, in denen die Passagiere an Bord unter unerträglichen Bedingungen festgehalten wurden, brachte ein spanischer Schlepper das Schiff schließ – lich nach Nouadhibou, einer mauretanischen Hafenstadt. 1.330 spanische Polizisten wurden zur Bewachung der Schiffbrüchigen eingeflogen. Die mauretanische Regierung erhielt für ihr Entgegenkommen direkte Zahlungen und Entwicklungsgelder. Ein großer Teil der Internierten wurde umstandslos in die Herkunftsländer „freiwillig“ abgeschoben, ungeachtet dort herrschender bewaffneter Konflikte. Die übrigen Personen wurden in einer ehemaligen Fischverarbeitungsfabrik in Nouadhibou interniert, bis auch sie nach und nach abgeschoben wurden.

Ein eklatanter Bruch des Flüchtlingsrechts? Eine Missachtung der Menschenrechte? Mauretanien sagt, es sei Spanien, das die Verantwortung für die Aktion trüge; man habe nur die Örtlichkeiten zur Verfügung gestellt. Spaniens Regierung sagt, alle Aktionen seien humanitär begründet und hätten ausschließlich dem Ziel gedient, den Schiffbrüchigen zu helfen. Da sich diese aber auf fremdem Territorium befunden hätten, würden auch europäische Flüchtlings- und Menschenrechtsprinzipien nicht gelten. Der von spanischen Aktivistinnen und Aktivisten beschrittene Rechtsweg blieb bislang ohne Erfolg. Nur wenig später verhandelt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EuGM) den Fall Hirsi versus Italien, eine Rückschie – bung von eritreischen Flüchtlingen durch italienische Einheiten. Was im Fall der Marine I zunächst misslang, nämlich europäische Regierungen auch für das zur Verantwortung zu ziehen, was sie außerhalb ihrer Territorien tun, wurde mit dem Fall Hirsi vs. Italien durch den EuGM schließlich durchgesetzt.

Die Fälle der Marine I und Hirsi vs. Italien sind das eine von zwei „Projekten“, auf denen Sonja Buckels Analyse der Grenzen und Grenzziehungen des europäischen Migrationsrechts aufbaut. Das zweite Projekt in ihrem Buch „Welcome to Europe“ beleuchtet nicht die Außengrenzen, sondern den Innenraum der Europäischen Union. Anhand einer Kette von Fällen, die in den letzten Jahren vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) verhandelt wurden, beschreibt Buckel die Entwicklung einer Rechtsprechungslinie des EuGH, die Unionsbürgerinnen und -bürgern soziale Rechte auch in anderen Staaten der EU zuspricht. Dies ist ein Thema, das weit über die aktuelle Debatte von sogenannter „Armutszuwanderung“ aus Rumänien oder Bulgarien hinausweist

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