Stillstand

Von Sebastian Muy

Wie Geflüchtete durch das Dublin-System blockiert werden

Das Dublin-System ist nicht nur ein Verschiebebahnhof, der Geflüchtete gegen ihren Willen von Land A nach Land B verfrachtet. Es hält darüber hinaus viele Menschen über viele Monate hinweg in einer unsicheren Warteposition, ohne Zugang zu elementaren Rechten und Ressourcen. Es hindert sie daran, endlich ein neues Leben in einem neuen Land zu beginnen. Zwei syrische Geflüchtete erzählen, wie Dublin III ihr Leben blockiert.

Hassan Nour kommt aus Aleppo. Nachdem er wegen des Krieges in Syrien seine Arbeit als Ingenieur in einem Klimaanlagenunternehmen verlor, war er als freiwilliger Mitarbeiter bei der humanitären Organisation Jesuit Refugee Service in Aleppo tätig. Wegen dieser Tätigkeit wurde er sowohl vom Regime als auch von Oppositionellen verfolgt. Er beschloss zu fliehen. 2014 reiste er zunächst nach Erbil in Irakisch-Kurdistan und fand dort Arbeit. Nachdem sich die Situation auch
dort verschlechterte, wurde er arbeitslos und zurück nach Syrien geschickt. Dort ist er erneut bedroht worden und er entschied, nach Europa zu fliehen. Er kam über die Türkei, Griechenland, Mazedonien und Serbien nach Ungarn. Dort ist er von seinem Schlepper in einem Wald im Stich gelassen worden.

Er ist von der Polizei festgenommen, geschlagen und ins Gefängnis gesperrt worden. Obwohl er unter starken Schwellungen an den Füßen litt, ist ihm der Zugang zu medizinischer Versorgung verwehrt worden. Unter Schlägen und der falschen Behauptung seitens des Dolmetschers, es handele sich lediglich um eine polizeiliche Maßnahme ohne Bezug zum Asylverfahren, gab er seine Fingerabdrücke ab. Alle seine Dokumente sind ihm weggenommen worden. Am dritten Tag kam er frei und er wurde aufgefordert, ein Lager aufzusuchen.

Pass in Ungarn, Stillstand in Brandenburg

Stattdessen floh er weiter nach Deutschland. Hinter der Grenze ist er von der Polizei aufgegriffen und endlich medizinisch versorgt worden. Nach der Verteilung nach Brandenburg erhielt er vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge eine Vorladung zum Interview. Dort ist er jedoch nicht nach seinen Fluchtgründen befragt worden, sondern nur nach seiner Fluchtroute. Kurze Zeit später kam der Bescheid: Das Dublin-Verfahren wurde eingeleitet. Seitdem wartet er, nichts passiert. Sein Pass sowie diverse Arbeitszeugnisse sind immer noch in Ungarn. Er wird sie nicht zurückerhalten, bis sein Dublin-Verfahren abgeschlossen ist und er in Deutschland als Flüchtling anerkannt wird. Ohne seine Dokumente ist sein Leben aber massiv erschwert. „Ich bin so gelangweilt, ich habe nichts zu tun“, sagt Hassan. Zweimal in der Woche besuche er in der Nähe des Heims einen Deutschkurs, jeweils für eineinhalb Stunden. Aber sonst hänge er immer nur im Lager herum und verbringe viel Zeit im Internet. Er habe nur mit anderen arabischsprachigen Personen zu tun. So könne er kein Deutsch lernen, denn drei Stunden Kurs pro Woche seien sinnlos.

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