Fakten, Dublin, Fakten

Von Thomas Hohlfeld

Die Menschenrechtswidrigkeit des Dublin-Systems erklärt sich anhand konkreter Schicksale, also daran, wie mit Schutzsuchenden in Europa umgegangen wird. Im Folgenden geht es vor allem um eine quantitative Beschreibung der Auswirkungen und Mechanismen des Dublin-Systems.

Der Menschenrechtskommissar des Europarats, Nils Muiznieks, forderte Anfang Mai Deutschland auf, eine Vorreiterrolle bei der Abschaffung des Dublin-Systems einzunehmen. Dublin sei ein „kaputtes System, das künstlich am Leben gehalten wird“. Erforderlich sei ein Mechanismus, der auf dem Prinzip der Menschenrechte und echter Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten basiere.
Nahe zu zeitgleich begrüßte Bundesinnenminister Thomas De Maizière die Vorschläge der EU-Kommission zur Verteilung bestimmter Asylsuchender innerhalb der EU. Es sei erfreulich, so De Maiziére, dass die Kommission nun aufgegriffen habe, wofür er sich gemeinsam mit einigen Amtskollegen aus anderen EU-Staaten schon länger eingesetzt habe, hieß es in einer Meldung. Zuvor schon hatte Bundeskanzlerin Merkel erklärt, das Dublin-System funktioniere nicht mehr und es müsse daran gearbeitet werden, „Dublin zu verändern“.

Deutschland als großer Reformator des gescheiterten Dublin-Systems? Das ist eine kühne Nachricht, die vor nicht einmal einem Jahr ins Reich der Fantasie hätte verwiesen werden müssen. Schließlich ist Deutschland ein maßgeblicher Initiator und langjähriger Verfechter der Dublin-Regelungen. Noch im Mai 2014 antwortete die Bundesregierung auf die Frage, wie sie die Effizienz bzw. Änderungsbedürftigkeit des Dublin-Systems beurteile, angesichts niedriger Überstellungsquoten und einer im Ergebnis geringen Verteilungswirkung: „Diese Gründe geben keinen Anlass zur Änderung des bestehenden Systems. Sie würden auch bei anderen Verfahren, wie z. B. der oft geforderten Verteilung anhand von Quoten, bestehen bleiben. Auch bei einer Verteilung nach Quoten würden die Betroffenen dieselben Anstrengungen unternehmen, um in den von ihnen bevorzugten Staat zu gelangen und in ihm bleiben zu können. Bei Erreichen der Quote würden erforderliche Überstellungen in andere Mitgliedstaaten vergleichbaren Schwierigkeiten begegnen.… Ziel des Dublin-Verfahrens ist nicht, eine reale Verteilungswirkung zu erreichen. Ziel des Dublin-Verfahrens ist vielmehr, den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat zu bestimmen“ (BT-Drs. 18/1394).

(der ganze Artikel im PDF Format)