Bewegung am Bosporus

Von Brigitte Suter

Bewegung am Bosporus

Die Türkei wird zur EU-Außengrenze aufgerüstet

Migrations- und Asylfragen wurden von Politik und Öffentlichkeit in der Türkei lange Zeit vernachlässigt. Durch neue Abkommen mit der Europäischen Union dürfte sich das in den kommenden Jahren ändern. Für Flüchtlinge ist das alles andere als eine gute Nachricht.

Lange Zeit wurde die Türkei, primär aus europäischer Sicht, als klassisches Auswanderungsland angesehen. Tatsächlich gab es aber schon immer auch Einwanderung in die Türkei. Ein Beispiel ist der Bevölkerungsaustausch zwischen Griechenland und der neu gegründeten Türkischen Republik Anfang der 1920er Jahre, der Muslime und Musliminnen in Griechenland und griechische Christen und Christinnen in der Türkei betraf. Ein anderes ist die Einwanderung „ethnischer“ Türken und Türkinnen aus ehemals osmanischen Gebieten auf dem Balkan und aus Zentralasien. Diese „kulturnahen“ Migranten und Migrantinnen sind in der Türkei bisher meist mit offenen Armen empfangen worden. So sieht das seit 1934 immer noch aktuelle türkische Niederlassungsgesetz nur die dauerhafte Aufnahme von Einwanderern „türkischen Ursprungs und Kultur“ vor.

In den letzten vierzig Jahren hat sich aber die Herkunft der Migranten und Migrantinnen in der Türkei stark diversifiziert. Schon als Folge der „Iranischen Revolution“ von 1979, während des IranIrakkrieges (1980-88) und auch während des Zweiten Golfkrieges (1990-91) suchten viele Menschen Zuflucht auf der anderen Seite der türkischen Grenze. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion zu Beginn der 1990er kam auch eine beträchtliche Anzahl von Einwanderern und Einwandererinnen aus Russland und anderen ehemals sozialistischen Ländern in die Türkei. Viele der aus post-sozialistischen Staaten Eingewanderten fanden in Istanbul die Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt als mobile Händler und Händlerinnen von Textil- und Lederwaren zu bestreiten. Mittlerweile haben auch Handeltreibende aus verschiedenen Teilen Afrikas und aus Westasien Istanbul entdeckt. Auf dem Istanbuler Arbeitsmarkt herrscht eine große Nachfrage nach Arbeitskräften im Niedriglohn-Bereich, etwa im Haushalt, in der Pflege, in der Unterhaltungs- und Sexindustrie, in der Landwirtschaft, im Bauwesen und in Fabriken.

Grenze und Gefängnis

Die Türkei, und vor allem Istanbul, stellt für viele Migrierende aus West- und Südasien sowie aus afrikanischen Ländern eine Art Sprungbrett für die Weiterreise in den Schengenraum dar. Viele fliehen vor Krieg, politischer und wirtschaftlicher Instabilität oder einer frustrierenden Perspektivlosigkeit. Istanbul ist dabei die Zwischenstation, von wo aus sogenannte Verbindungspersonen eine Weiterreise in den Schengenraum organisieren. Die Preise für eine Weiterreise belaufen sich auf mehrere hundert bis mehrere tausend Euro, je nach Strecke, Transportmittel und Sicherheitsrisiko.

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