Zwischen Nazi-Peepshow und Lichtbild- Slapstick

Von Friedrich C. Burschel

Zwischen Nazi-Peepshow und Lichtbild-Slapstick

Verstörende Beobachtungen und Schlaglichter aus dem NSU-Prozess

Der Kontrast zwischen den beklemmenden Bildern spiegelt noch einmal die gesamte prekäre Aufmerksamkeitsökonomie im NSU Prozess wider: Exponiert stets die Hauptangeklagte Beate Zschäpe. Das gerichtstägliche Ritual, wenn sie hereingeführt wird, gleicht einem kurzen Tanz oder ein paar Trippelschritten auf einem Laufsteg. Die Apparate der anwesenden Pool-Photographen klicken dazu hektisch. Täglich folgt die kollektive Bewertung des Outfits der rätselhaften, ungerührt heiteren und offenbar mit ihrer Rolle kokettierenden Frau, die für viele geradezu ein „Faszinosum“ zu sein scheint. „Telekom-Magenta“, flüsterte ein Sitznachbar auf der Journalisten-Tribüne kürzlich, als die Angeklagte in knalligem Hemd wieder mit schwungvoller Drehung der klickenden „Öffentlichkeit“ den kalten Rücken zeigte. Auch die langen Haare Zschäpes werden beim Ausbildungsfrisör in der Stadelheimer Haftanstalt aufgehübscht – an jenem Tag tatsächlich ebenfalls getönt in jenem Glanz der Markenfarbe.

Obwohl man dieses groteske Prozedere nach bald drei Monaten gründlich satt hat, bleibt es einer umfassenden Prozessbegleitung und -Beobachtung nicht erspart, auch diesen Aspekt wahrzunehmen und Entwicklungen sowie Wendungen im Verhalten aller fünf Angeklagten aufzuzeichnen. Auch wenn manche unterdessen schon von „Nazi-Wochenschau“ sprechen oder – zumal nach der Veröffentlichung eines Liebesbriefes aus ihrer Feder – von einer „ZschäpePeepshow“ oder von einer „Hofberichterstattung für die rechte Szene“.

Im Zentrum stehen, das liegt in der Natur des Strafverfahrens, die Angeklagten. Und das sind nun mal Nazis. Ihr Verhalten wird auch für den Ausgang des Verfahrens, den Schuldspruch und die konkrete Strafzumessung mitentscheidend sein. Wer hätte zum Beispiel erwartet, dass der als Kronzeuge aussagende, schwule Naziszenen-Aussteiger Carsten Schultze unter Tränen sein Mitwissen an einem weiteren Sprengstoffanschlag preisgeben würde? 1999 explodierte in Nürnberg eine präparierte Taschenlampe in den Händen einer Reinigungskraft und verletzte diese schwer. Trotz Überprüfung möglicher weiterer Verbrechen nach Festnahme der NSU-Verdächtigen war dieser frühe Anschlag – den die Nürnberger Polizei bezeichnenderweise damals ebenfalls im „Drogenmilieu“ verortete – den Staatsanwaltschaften wieder nicht aufgefallen.

Beklemmende Leichenschau

Und dann die anderen Bilder: Ende Juni 2013 wurden vor Gericht verschiedene Versionen des NSUBekennervideos gezeigt, welche Beate Zschäpe nach dem Ende der Z0wickauer Zelle noch verschickt hatte, ehe sie sich der Polizei selbst stellte. Die infamen Trickfilmmontagen mit der Comic-Figur Paulchen Panther, der als eine Art Conférencier mit höhnischen Texten und perfidem Spaß durch die Mordserie führt, sind ein Dokument beklemmenden Grauens. Mit Tatort-Fotos werden die zehn Mordopfer darin höhnisch verspottet und einer Schaulust bloßstellt.

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