Wie spinnt das Volk?

Eine Analyse von Pit Kühnöhl

Montag in Dresden, Alltag auf Facebook. Filterblasen und Echokammern, Hetze und gezielte Agitation. Soziale Medien als Propagandainstrument und Rekrutierungsumfeld für rechtsradikale Bewegungen.

Heidenau, Freital, Clausnitz und Bautzen. Pegida und AfD. Die geifernden Massen, die im Internet wie auf der Straße ihren tumben Hass gegen das Fremde, gegen „die da oben“ oder gegen neue Lebenswirklichkeiten zur Schau stellen, ähneln immer mehr jenem klassischen Lynch-Mob, der mit Fackeln und Mistgabeln auf die Jagd geht: Sie sind völkisch, rassistisch und antisemitisch, gewaltbereit, unreflektiert und voller imaginierter Sorgen. Sie sind sich bürgerlich fühlende Rechtsradikale. Theodor Adorno beschrieb in einem Vortrag über die „Aspekte den Rechtsradikalismus“, den er 1967 an der Wiener Universität hielt, genau diesen Typ Mensch. Seine Analysen sind heute nicht weniger treffend wie damals, lediglich das Repertoire der technischen Möglichkeiten hat sich für den Mob erweitert.

Das ideologische Grundprinzip jedes Rechtsradikalismus ist nach Adorno die Idee der Volksgemeinschaft. Jene mythisch aufgeladene Verbindung, die all die „Wir sind das Volk“-Krakeelenden von den verschwörungstheoretischen Montagsmahnwachen, über Pegida bis zum gewaltbereiten Mob vor sächsischen Flüchtlingsunterkünften und Reisebussen für sich beanspruchen. Jene herbeifantasierte Schicksalsgemeinschaft, die alles Fremde ausschließen und alles Widerstrebende auslöschen möchte. Diese heimelige Gemeinschaft des Volkes aber sei stets vom nahenden Untergang bedroht, fürchten die Rechten: Jüdische Bankiers und amerikanische Firmen würden gute deutsche Firmen gefährden; Horden terroristischer und sexistischer junger muslimischer Männer mit Smartphones würden sich aufmachen, das Abendland zu vernichten.

Ja, die Rechtsradikalen haben viel Angst. Sie fürchten nicht nur das Fremde von außen, sie fürchten genauso das Fremde im Inneren, das es wagt, die völkischen Ideale nicht bedingungslos zu teilen: Andersdenkende, Homosexuelle, Feministen und Feministinnen, „Volksverräter“, „Gutmenschen“ – und natürlich Intellektuelle. „Weil sie ohnmächtig gegen Geist sind, wenden sie sich gegen die Geistträger“, sagte Adorno in seinem Vortrag. Den Rechtsradikalen sind Vernunft und Rationalität suspekt, sie lassen sich stattdessen von Gefühlen und Emotionen leiten. Doch die vorherrschenden Gefühle der Rechten, der „besorgten Bürger“ scheinen bloß die tiefe Furcht vor allem Neuen und der Hass auf alles Fremde zu sein.

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