Traumatische Diagnosen und wozu sie gut sind

Von Peter Mosser

Die verschärften Vorgaben des Asylpakets II belegen wie Realitäten umgedeutet und Machtstrukturen in absurd konstruierter Weise gefestigt werden. Wie dadurch faire Begutachtungen schwerer psychischer Erkrankungen ausgeschlossen sind, zeigt Peter Mosser.

Das Asylpaket II macht deutlich, dass gesundheitliche Belastungen nicht mehr in dem Ausmaß als Abschiebehindernis geltend gemacht werden sollen wie das bisher der Fall war. Die
damit einhergehende Argumentationspraxis offenbart gleich mehrere Fragwürdigkeiten, die bei näherer Betrachtung durchaus symptomatisch sind für die Organisation von Macht und der sie flankierenden Diskurse: Zu bestimmen, inwieweit die Befindlichkeit eines Menschen krankheitswertigen Charakter hat, ist Sache „ausgewiesener Expertinnen und Experten“. Um die existenziellen Konsequenzen der Feststellung von Krankheit versus Gesundheit zu exekutieren, bedarf es einer bestimmten juristisch-medizinischen Logik, die in gewisser Weise „operativ geschlossen“, das heißt auf sich selbst zurückweisend funktioniert. Diese Logik wird von bestimmten Begrifflichkeiten genährt und aufrechterhalten. Eine zentrale Funktion erfüllt dabei der Begriff „Trauma“.

Flüchtlinge sollen schneller abgeschoben werden können. Das spart Geld und bringt Wählerstimmen. Flüchtlingspolitik oszilliert irgendwo zwischen der Behauptung von Humanität und der Bezähmung von Angst. Der traumatisierte Flüchtling ist in diesem Szenario eine komplizierte Figur, weil das von ihm angefertigte öffentliche Skript Widersprüchliches vereint: das Leid und die Gefahr. Zumal wenn es sich um einen Mann handelt. Zumal wenn er jung ist – aber nicht zu jung. Es sind logisch folgernd Praxen gefunden worden, um dieser Figur „Herr zu werden“: etwa durch die Behauptung des „sicheren Herkunftslandes“, der „Reisefähigkeit“ oder einer „adäquaten medizinischen Versorgung im Herkunftsland“. Die Behauptung ist aber politisch nicht durchsetzbar und öffentlich nicht kommunizierbar, wenn sie nicht entsprechend begründet ist. Die Begründungen zu liefern ist das Geschäft der Expertinnen und Experten. Es ist an ihnen zu deklarieren, ob ein Herkunftsland sicher und eine medizinische Versorgung dort adäquat ist. Und natürlich obliegt auch den Expertinnen und Experten die Einschätzung darüber, ob es aus gesundheitlicher Sicht zu verantworten ist, ob ein Mensch in sein Heimatland zurück geschickt werden kann oder nicht.

 

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