Kaputtheilen

Von Daniel Burghardt

Mit Gedanken an Heimat sind im Laufe der Menschheitsgeschichte wieder und wieder Geschichten von Sehnsucht, Liebe, Hass und Angst verbunden. Aber jenseits von Semantik und Rhetorik stellt sich die Frage, welche Funktion das Konzept „Heimat“ im kollektiven Bewusstsein einer Gesellschaft erfüllt. Gedanken zur Sozialpsychologie eines politischen Begriffes.

Erinnerung:„Paul Parin: Heimat, eine Plombe“

Zum Ausgangspunkt dieses Essays soll eine Rede Paul Parins aus dem Jahre 1994 genommen werden, die unter dem Titel Heimat, eine Plombe auf dem 5. Symposion der Internationalen Erich Fried Gesellschaft für Literatur und Sprache in Wien vorgetragen wurde. Parin stellt zunächst eine anthropologische Angewiesenheit auf etwas in Rechnung, was gerne mit dem Oberbegriff Heimat paraphrasiert wird:
„Gewiß sind Kinder auf eine Heimat, auf Sicherheit und Geborgenheit angewiesen, auf ein Minimum, einen Stall von Bethlehem oder auch nur das Tragetuch einer liebenden Nomadenmutter“(Parin 1996, S. 17). Allerdings wird er schnell misstrauisch, wenn es um die Frage nach dem Heimatgefühl der Erwachse- nen geht. Denn damit rückten diese in „in bedenkliche Nähe zu den postmodernen Suchern, Vermittlern und Kämpfern um Identität, mit der heute jede nationale, völkische oder sonstwie kollektive Abgrenzung oder Ausgrenzung legitimiert, jeder beliebige Herrschafts- und Machtanspruch begründet, schließlich jede mitmenschliche Solidarität in Frage gestellt wird“(ebd. S. 17). Heimat sei als Begriff überhaupt nur sinnvoll, wenn damit ein „individuelles Phänomen“, ja eine defizitäre Erfahrung bezeichnet wird. Der Heimatbe- griff bei Erwachsenen möge also nötig sein, wenn „Kälte, Einsamkeit, Depression, Verlust und Orientierungslosigkeit drohe, wenn das Selbstwertgefühl erschüttert ist und zu zerbrechen droht“(ebd. S. 17f.).

Psychoanalytisch, schlussfolgert Parin, sei Heimat daher nicht viel mehr als eine seelische „Plombe“, die dazu dient, „Lücken auszufüllen, unerträgliche Traumen aufzufangen, seelische Brüche zu über- brücken, die Seele wieder ganz zu machen“(ebd. S. 18). Parin bringt Heimat auf eine Formel, die lautet: „Je schlimmer es um einen Menschen bestellt ist, je brüchiger sein Selbstgefühl ist, desto nötiger die Heimatgefühle, die wir darum eine Plombe für das Selbstgefühl nennen“(ebd. S. 18).

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