Niveaustufen als Stolpersteine

Von Sara Magdalena Schüller

Niveaustufen als Stolpersteine

Die so genannte Integration zwingt Einwandernde sich einem widersprüchlichen Zwangsverfahren zu unterwerfen, das niemandem gerecht wird. Sprachbarrieren als so genannte Niveaustufen.

Sprechen oder arbeiten

„Bitte zurückbleiben“, jeden Tag hört er diesen Satz, aber erst seit kurzem ist ihm der Sinn bewusst: „Por favor quedarse atrás“, hieße es wörtlich auf Spanisch. Francisco G. ist Chilene und lebt seit einem Jahr in Deutschland. Die Liebe hat ihn hierher verschlagen – freiwillig wäre er nicht gekommen. Jetzt ist er in München und es ist für ihn ganz klar, dass er die Sprache, die ihm so fremd ist wie das bei Rot an der Ampel stehenbleiben, lernen möchte. Dennoch liegt sein erster Sprachkurs mehr als ein halbes Jahr zurück. Dazwischen ist viel passiert, unter anderem hat er einen Job als Pizzabäcker gefunden. Er ist Koch mit mehr als zehn Jahren Berufserfahrung und damit eigentlich überqualifiziert, doch ohne ausreichende Sprachkenntnisse findet man selbst zu praktischen Berufen nur schwer Zugang. Die Pizzeria gehört einem Türken. Es habe ihm sehr geholfen, dass es eben keine Deutschen sind, die dort arbeiten, sondern auch Ausländer. Menschen von woanders, die ihm die Scham nehmen, – noch – nicht fehlerfrei zu sprechen.

Warum er so lange keinen Deutschkurs belegt hat, obwohl er zur Teilnahme an einem Integrationskurs verpflichtet wäre, da er mit einer Deutschen verheiratet ist – der Grund ist schlicht der, dass in München kaum Integrationskurse zu arbeitnehmerfreundlichen Zeiten, also abends oder am Wochenende, angeboten werden. Menschen, die mit dem wenigen Deutsch, das sie können, offensichtlich in der Lage wären, einem Beruf nachzugehen, werden somit Steine in den Weg gelegt. Steine, die umso scharfkantiger scheinen, als es immer noch Stimmen gibt, die von „Sozialschmarotzern“ reden, wenn sie von Eingewanderten sprechen. Unterstrichen wird dies zudem von den Christsozialen, von denen zu hören ist,dass nur bleiben darf, wer genügend Deutsch beherrscht.

Dieses Paradox ist Francisco G. durchaus bewusst. Er ist dem deutschen Staat dennoch dankbar, dass er die, Integrationskurse, subventioniert. Ein Euro pro Stunde kosten sie, für Arbeitslose sind sie umsonst. Was auf den ersten Blick unglaublich günstig wirkt, relativiert sich beim zweiten Hinsehen, da es im Laufe eines Monats, bei 20 Wochenstunden, doch zu hundert Euro pro Monat anwächst. Dass diese Summe, gerade für Menschen, die noch nicht in angemessen bezahlten Anstellungen tätig sind, schwer zu zahlen ist, markiert ein weiteres fragwürdiges Detail der Integrationspolitik.

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