Das Problem auf Seite 5

Von Olga Reznikova

Das Problem auf Seite 5

In Russland werden Menschen aus dem Kaukasus zu „Schwarzen“ gestempelt, diskriminiert und gejagt

Irsa ist nicht die einzige, die sich als eine Schwarze bezeichnet. In Tschetschenien, wo sie und ihr Bruder mit mir geredet haben und wohin sie vor ein paar Monaten aus dem Exil zurückgekehrt sind, ist die neue Zuschreibung weit verbreitet.

Bei einem Interview in Grosny mit einer tschetschenischen Literatin, die sich mit der Frage des „tschetschenischen Schwarzseins“ auseinandersetzt, tritt das zutage. Sie argumentiert selbst mit biologisch-evolutionistischen Begriffen und ihre Aussage weist eine deutliche selbst-rassifizierende Tendenz auf: „Ich weiß nicht, woher alle diese Gesichter raus gekrochen sind: schwarz, irgendwie schmutzig, mit solch einer Nase. Wahrscheinlich sind alle wahrhaftigen Tschetschenen, unser ganzer Genpool, im Krieg oder bei den Säuberungen umgekommen. Es blieb nur dieser Abschaum [bydlo]. Früher hatten die Tschetschenen blaue Augen und symmetrische Gesichtszüge.“

Wie solche Rassifizierung in Russland nach zwei tschetschenischen Kriegen entsteht und welche Rolle dabei die programmatische Erschaffung einer Grenzregion mit eigenen Gesetzen, Gefängnissen und eigenem Gerichts- und Wirtschaftssystem spielt, ist Gegenstand für eine weitere Analyse. Hier versuche ich einige Beobachtungen und Gedanken auszuarbeiten, wie ein solches „Schwarzsein“ entsteht.

In deutschen Diskursen unterscheidet man häufig zwischen „guten“ und „schlechten“; zwischen integrierten und nicht integrierten, zwischen christlichen und nicht-christlichen „Ausländern“. Die „Migranten“ in Moskau sind zum großen Teil Bürgerinnen und Bürger der Russischen Föderation, sie sprechen dieselbe Sprache oder haben sie zumindest bis vor Kurzem gesprochen. Zudem haben sie dasselbe Schulsystem wie alle postsowjetischen Bürgerinnen und Bürger durchlaufen. Wobei man das gleiche auch über viele „Migranten“ in Moskau sagen kann, die Bürgerinnen und Bürger anderer Staaten sind oder Personen ohne Staatsbürgerschaft. Die meisten Migrantinnen und Migranten haben einen Pass der ehemaligen Sowjetrepubliken oder besitzen nur den alten Pass aus Zeiten der Sowjetunion, in dem auf der ersten Seite unter Punkt fünf (manchmal auch drei) die ethnische Zuschreibung steht, beispielsweise kasach (Kasache)

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