Gegen Mülltrennung und andere kriegswichtige Aufgaben

Von Caspar Schmidt

Gegen Mülltrennung und andere kriegswichtige Aufgaben

Um Menschen dazu zu bringen, Gegenständen ohne persönlichen Gebrauchswert – und ohne Gegenleistung – eine hohe Aufmerksamkeit abzuringen, bedarf es einer spezifischen Dressur. Ein ausschweifender Beitrag am Thema vorbei.

Eine Menschensortieranleitung wie das Buch „Deutschland schafft sich ab“ führte hierzulande lange die Bestsellerlisten an. Türkische Milieus sind schlecht für das Wohl der Nation, will Thilo Sarrazin herausgefunden haben. Um mit Karl Kraus zu sprechen: „Das ist so falsch, dass nicht einmal das Gegenteil richtig ist“. Denn der Versuch der medialen Sarrazin-Opposition, Migration als eine Art nationale Bereicherung zu verkaufen, bedeutet immer noch, Menschen danach zu beurteilen, ob sie der Nation dienlich sind und nicht etwa dem Menschen selbst. Einmal in diesem Diskursrahmen gefangen, ist ein mieser Auftritt vorprogrammiert.

Das Wohl der Nation als Paradigma

Während die sinkende Geburtenrate bitterlich beklagt wird, ist es den Behörden andererseits ordentlich viel Mühe wert, Flüchtlinge von der Gesellschaft fernzuhalten, in Lagern zu kasernieren und ins Ausland abzuschieben. Aber nicht die Verwaltung und bürgerliche Gesetze sind Ursachen der Ausgrenzung. Die Einteilung von Menschen in wertvolle und überflüssige beginnt zuerst in den Köpfen. Alle drei Sekunden stirbt weltweit ein Mensch an „Hunger“ bzw. den Folgen von Unterernährung, was in Deutschland relativ wenige Menschen aufbringt zu demonstrieren. In Stuttgart aber ketteten sich Demonstrierende zur Rettung von ein paar alten Bäumen an selbige als ginge es um Menschenleben – man möchte fast meinen, um das eigene. Ein alter Bahnhof scheint die Gemüter weit mehr in Wallung zu bringen als menschliches Leid.

Was die genannten Prioritäten ideologisch verleimt, ist die Sorge um die Ordnung in der Saftheimat und die allgemeine Angst vor Veränderung. Veränderung wird als das Unkraut der modernen Welt betrachtet, das solange zu jäten ist, bis das Rad wieder schön stillsteht. Tausende demonstrieren lieber für den Erhalt ihres bescheidenen Arbeitsplatzes, obwohl sie sich jeden Morgen zur Arbeit zwingen müssen und vom Schichtbeginn an die Minuten zählen, anstatt ihr Recht auf Lust, Luxus und Müßiggang einzufordern. Der Wunsch nach sozialer Regression wird nur vom Wunsch nach Ordnung übertroffen. Die Menschen, die Orte, die Zeit, die Einkommen, der Verkehr, die Moral, alles soll wohl sortiert sein – und schließlich auch der Müll.

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