„Nepper, Schlepper, Bauernfänger“

Von Judith Gleitze

Nepper, Schlepper, Bauernfänger

Wie die italienische Mission ‚Mare Nostrum‘ dem „Schlepperunwesen“ beikommen will

Seit Januar 2014 hat die italienische Marine mehr als 100.000 Flüchtlinge gerettet, aber auch hunderte von ihnen als Schlepper verhaftet. Kann eine militärische Rettungsaktion die „illegale Einreise“ verhindern? Und wer sind überhaupt diese „Schlepper“?

Sein Name war Mohuamed Ahmed Mokhar. Er war gerade einmal 24 Jahre alt, als er sich in seiner Zelle im Gefängnis von Caltanissetta, Sizilien, erhängte. Ein junger Ägypter, der als „Schlepper“ verhaftet wurde. Auf dem Boot hatten zwei Migranten den Tod gefunden. Seine Schuld, sagten die Behörden. Bewiesen ist dies bis heute nicht; es gab keine weitergehenden Untersuchungen. Dennoch veröffentlichte die Presse ohne Zögern seinen Namen, seine Herkunft – Vorverurteilung nennt man das. Mokhar hat dem Druck nicht standgehalten – er hat sich umgebracht. Ein Jahr ist seitdem vergangen. Die Tragödien des 3. und 11. Oktober 2013, die mehr als 600 Todesopfer forderten, hatten das Augenmerk für einen Moment auf das Sterben im Mittelmeer gelenkt. Die italienische Regierung rief die Operation ‚Mare Nostrum‘ ins Leben, „Unser Meer“. Zunächst ein Begriff, den die Römer für das Mittelmeer gebraucht hatten; leider auch ein Begriff, der im italienischen Faschismus gern für die Kolonialisierungswünsche über das Meer hinaus missbraucht wurde. Libyen ist ein Beispiel: Italienische Kolonie von 1911 bis 1943 und heute Hauptabfahrtsland der Flüchtlinge. Trotz mehrfach erneuerter bilateraler Verträge zwischen Gaddafi und Berlusconi in der Vergangenheit werden Flüchtlinge immer noch nur selten an der Abfahrt aus Libyen gehindert; das Land zerlegt sich derzeit selber. Der dortige Bürgerkrieg treibt nun neben Flüchtlingen aus verschiedenen afrikanischen und asiatischen Staaten auch die dort arbeitenden Migrantinnen und Migranten fort.

‚Mare Nostrum‘, ein „Pull-Faktor“?

‚Mare Nostrum‘ nimmt am 18. Oktober 2013 die Arbeit auf. Fünf Marineschiffe fahren Patrouille im Mittelmeer, nach eigenen Angaben bis zu 40 Seemeilen (ca. 74 km) vor die libysche Küste. Im August 2014 wird die 100.000-Gerettete-Marke überschritten. Stimmen gegen die Operation werden immer lauter: Die Marine schafft uns die Leute erst ins Land; ohne ‚Mare Nostrum‘ kämen nicht so viele Flüchtlinge! Matteo Salvini, rechtsgerichteter Abgeordneter der Lega Nord, gibt ‚Mare Nostrum‘ sogar die Schuld an den Toten auf See: „Wieder sind 180 Migranten dank Mare Nostrum gestorben, eine blutige Operation. Fünf Schlepper sind wegen Mord verhaftet worden. Und die Politiker, die den Schleppern helfen, müsste gegen die nicht auch ermittelt werden?“2

(der ganze Artikel im PDF Format)