Fluchthilfe oder Schlepperei?l

Von Bernd Mesovic

Fluchthilfe oder Schlepperei

Eine Frage politischer Opportunität

Flucht ist kein Verbrechen. Warum aber ist Fluchthilfe eines? Warum die vielen jagdeifrigen Polizeiberichte darüber, dass man wieder sogenannten Schleusern das Handwerk gelegt habe? Warum alle Jahre wieder das mediale Klischee von organisierter Schlepperkriminalität?

Während der Zeit des Naziregimes und während des Zweiten Weltkrieges mussten viele Flüchtlinge die Dienste von Fluchthelfern und Fluchthelferinnen in Anspruch nehmen. Nach dem Versagen der internationalen Staatengemeinschaft bei der Flüchtlingskonferenz von Evian im Jahr 1938, wo die Staaten fast ausnahmslos keine Bereitschaft zeigten, jüdische Flüchtlinge aufzunehmen, wuchs der Druck. Wer in den Zufluchtsländern oder in Botschaften Flüchtlingen mit Visa gegen die Vorschriften aushalf, wurde in vielen Fällen kalt- oder vor Gericht gestellt. Die in der Schweiz verurteilten Fluchthelfer hat man erst spät, im Jahr 2003, rehabilitiert. Varian Fry, einer der mutigsten und effizientesten, der Flüchtlingen im besetzten Frankreich mit dem American Rescue Commitee weiterhalf, wurde zu Lebzeiten nicht geehrt. Auch er kaufte zur Rettung der Verfolgten des Nationalsozialismus gefälschte Dokumente bei der Unterwelt von Marseille. Die Rettung von Menschen vor Verfolgung ist höchst selten völlig kostenfrei. Seitdem Nationalstaaten Grenzen effektiv überwachen, können Menschen kaum noch ohne die Inanspruchnahme gut organisierter Fluchthilfe und professionell gefälschter Dokumente fliehen. Die Grenze zwischen kommerzieller Fluchthilfe und altruistischem Tun ist dabei fließend. In den Anfangsjahren der Fluchthilfe aus der DDR nach Westdeutschland handelten viele der Fluchthelfer und Fluchthelferinnen aus ideellen Gründen, oder sie wollten Angehörigen helfen. Mit der Grenzaufrüstung und der immer lückenloseren Bespitzelung musste auch die Fluchthilfe professioneller werden. Damit einher ging durch die immer aufwendigere Fluchtorganisation die Kommerzialisierung der Fluchthilfe.

Keineswegs ist Fluchthilfe immer strafbar gewesen. Ihre rechtliche Beurteilung hing immer stark vom politischen Kontext ab. Je nach politischer Opportunität wurde sie als geradezu gebotene Hilfe in der Not und für die Verwirklichung von Freiheitsrechten angesehen oder als illegales Unterlaufen staatlicher Souveränität.

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