I don’t really see: Why can’t we go on as three

Von Sarah Stoll

„I don’t really see: Why can’t we go on as three“ (or four, or five,…)

Angina, wie würdest Du Dein Konzept von Beziehungen beschreiben?

Mein Konzept von Beziehungen lässt sich wohl am besten als ein moralisches beschreiben. Verantwortung spielt für mich eine zentrale Rolle. Wenn ich mit einer Person eine Beziehung eingehe, dann involviert das für mich die Bereitschaft zu Loyalität, Commitment, Aufmerksamkeit und Auseinandersetzung mit diesem Menschen. So würden viele ihre freundschaftlichen Beziehungen bestimmt auch beschreiben. Für mich lässt sich der Unterschied zwischen verschiedenen Formen von Zwischenmenschlichkeit – Beziehung, Freundschaft – nicht eindeutig definieren. Er macht sich am ehesten daran fest, wie viel Bereitschaft existiert, Zeit für eine Beziehung aufzuwenden oder sich emotional einzulassen und auseinanderzusetzen. Körperliche liebe 56 „I don’t really see: Why can’t we go on as three“ (or four, or five,…) (David Crosby, „Triad“, 1967) Sarah Stoll im Gespräch mit Angina Jolie über Polyamorie. Illustration: Matthias Weinzierl Hinterland26_Hinterland 01/06 22.06.14 20:23 Seite 56 Intimität ist für mich oft ein Startpunkt und meistens auch später relevant. Auf dieser Ebene kann sehr viel Wertschätzung, Kommunikation und Auseinandersetzung passieren.

Hat das kulturelle Gründe, dass Du Dich dafür entschieden hast, Mehrfachbeziehungen zu leben?

Bei mir resultiert die Wahl meiner Beziehungsformen tatsächlich aus der Selbstverortung in einem queer-feministischen sozialen und kulturellen Kontext.

Hat diese Art Beziehungen zu führen für Dich eine politische Komponente?

Politisch sind diese Beziehungsformen für mich insofern, da sie die Chance darstellen, Solidaritäten aufzubauen und mit Menschen über situative Gegebenheiten hinweg eine Verbundenheit aufrecht erhalten zu wollen. Auch und vor allem in Momenten, in denen es nicht nur geil ist oder sowieso alles passt. Außerdem sehe ich sie als Alternative zu einem heteronormativen Mainstream, der Suche nach einer Alternative zu heterosexistisch organisierten Gesellschaftsformen mit Trenn ungen in „öffentliche und private Sphären“, sowie in Existenz als „Single“ oder „Paar“. Wobei die romantische Zweierbeziehung als Ort der Wiederherstellung ob der Grausamkeiten der kapitalistischen Welt herhalten soll und nie kann. Außerdem sehe ich diese Beziehungsformen als Herausforderung für restriktive Moralvorstellungen von „Treue“, „Verrat“, „Betrug“, oder wie eine gute Partnerin oder ein guter Partner zu sein hat. Ich glaube aber, dass Mehrfachbeziehungskonzepte die Gefahr bergen können, auf Menschen übertragenes kapitalistisches Konsumverhalten weiter zu liberalisieren. Beziehungen als Ort zu sehen, in dem mensch Sexualität und Emotionalität an und mit Menschen konsumieren kann, um dann nach vollendeter Bedürfnisbefriedigung oder bei Schwierigkeiten einfach wieder auszusteigen, birgt etwas Kaltes und Brutales in sich, das mich abstößt.

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