„Bist du jetzt ein toller Mann oder ein Arsch?“

Ein Interview von Philipp Gufler

„Bist Du jetzt ein toller Mann oder ein Arsch?“

Guido Vael hat die schwule Community in München mit geformt und dabei keine Hürde ausgelassen. Er wurde als Schwuler geoutet, als Aktivist angefeindet, als Gesprächspartner gesucht und engagiert sich unermüdlich in der Aidshilfe. Philipp Gufler hat sich mit ihm über Leben, Liebe und seine Erfahrungen unterhalten.

Guido, Du hast 1984 die Münchner Aidshilfe mitgegründet. Was hat dich politisiert?

Ich hatte ein Sexualerlebnis mit einem Mann, während ich mit einer Frau verheiratet war. Daraufhin ließ ich mich scheiden und bin zu diesem Mann nach München gekommen, das war 1977. Da bin ich dann ziemlich abgestürzt – das war auch der falsche Mann – da saß ich dann ohne Arbeit und ohne Geld. Da gab’s einen flüchtigen Bekannten, der mich mitgenommen hat zu dem Verein für Sexuelle Gleichberechtigung, den es damals noch gab. Die haben mich dort aufgefangen. Die Diskussionen, die da geführt wurden, haben mich politisiert. Und irgendwann sind die auf mich zugekommen und haben mich mit Aufgaben betraut: „Guido, kannst Du das nicht mal machen.“ Und dann ist es so, meine Persönlichkeit, mein Pflichtbewusstsein, dass ich mir gesagt hab‘, ok, die haben mich gerettet, ich fühle mich verpflichtet da etwas zurückzugeben. Und dann diese Phase, die in so einer Emanzipationsbewegung drinsteckt, sich auseinander zu setzen, mit dem Paragraphen 175, warum es bis heute keine Wiedergut – machung gibt für KZ-Opfer, und so weiter.

1980 hast Du den ersten Christopher-Street-Day hier in München mitorganisiert.

Ja. 1979 fand der allererste CSD in Deutschland statt, in Bremen. Das war dann Bremen, Stuttgart, Berlin und dann haben wir gesagt, das machen wir jetzt auch in München. Dort bin ich mit einem Transparent gelaufen und habe mich etwas blauäugig nicht unkenntlich gemacht, mit Schlapphut wie mein Freund. Das Bild erschien dann in der Abendzeitung. Während die Bundesregierung, vertreten durch die Gesundheitsministerin Rita Süssmuth, gemeinsam mit Aids-Hilfen und der Wissenschaft eine Präventionsstrategie verfolgte, vertraten die Bayerische Staatsregierung und der damalige Münchner Kreisverwaltungsreferent Peter Gauweiler eine auf dem althergebrachten Seuchenrecht basierende Strategie, die auf Zwangsmaßnahmen setzte. Es gab einen Maßnahmenkatalog. Das größte Problem war die Sprache. Dort wurde von ‚Ausscheidungsverdächtigen‘, ‚Infektionsverdächtigen‘ und ‚Risikopersonen‘ gesprochen. Wir haben gesagt, es gibt keine Risikopersonen, es gibt nur Risikoverhalten. Denn nur weil ich HIV-positiv bin, geht von mir kein Risiko aus. Es gibt ja keine Tropfeninfektion. Und das Wort ’schwul‘ oder ‚homo – sexuell‘ kommt in diesem Maßnahmenkatalog gar nicht vor. Da ist nur die Rede von Drogengebraucher, Drogengebraucherin und von Prostituierten, männlich wie weiblich. Die ‚Uneinsichtigen‘, um im Sprachgebrauch von Herrn Gauweiler zu bleiben, wurden zwangsgetestet.

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