„Man darf Schlepperei gutheißen“

Ein Interview von Nikolai Schreiter

„Man darf Schlepperei gutheißen“

„Vor jedem ehrlichen Schlepper, der saubere Arbeit macht: der seine Kunden sicher aus dem Land des Elends und Hungers, des Terrors und der Verfolgung herausführt, der sie sicher hereinbringt, den Grenzkontrollen zum Trotz, in unser „freies“ Europa, habe ich Achtung. Er ist ein Dienstleister, der eine sozial nützliche Tätigkeit verrichtet und dafür auch Anspruch hat auf ein angemessenes Honorar. Für Gesinnungslumpen, die glauben, sie müssten sich davon distanzieren, habe ich nur Verachtung.“

Wegen dieser Passage aus seinem Text „Schlepper und Lumpen“ hätte Michael Genner fast vor Gericht gemusst. Er ist Obmann der Wiener NGO Asyl in Not, die Rechtsberatung für Geflüchtete anbietet und sich dem politischen Angriff auf ein ungerechtes System verschrieben hat. Den Text hat Genner in Reaktion auf die Verhaftung von Aktivisten des Wiener Refugeeprotests wegen ‚Schlepperei‘ veröffentlicht. Die Staat- sanwaltschaft Wien stellte Strafantrag wegen „Gutheißung einer mit Strafe bedrohten Handlung“. Über ‚Schlepperei‘ und Repression, den in letzter Minute abgesagten Prozess und was er daran schade findet, sprach Michael Genner mit Nikolai Schreiter.

Warum gab es zunächst diese Anklage gegen dich und wie kam es dazu, dass sie dann zurückgezo- gen wurde?

Ich bin ein seit vielen Jahren dem System unliebsamer Gegner und natürlich gibt es immer wieder Versuche, mich aus dem Verkehr zu ziehen. Es war nicht der erste dieser Art und wird nicht der letzte sein. Nachdem wir ihn öffentlich gemacht haben, gab es eine breite Welle der Solidarität, viele Men- schen haben die inkriminierte Stelle zu ihrer eigenen erhoben und verlangt, ebenfalls angeklagt zu werden. Es haben sich etwa 160 Leute als solidarische Prozessbeobachter angemeldet und die Medien sind aufmerksam geworden. In der Oberstaatsanwaltschaft hat vielleicht jemand, der mit bisschen mehr Geistesgaben gesegnet gewesen ist, erkannt, dass es nicht gut ist, mir so eine Bühne zu geben. Daher hat sie zwei Tage vor dem Prozess die Weisung erteilt, den Strafantrag zurückzuziehen. Einerseits ein Erfolg, andererseits schade, denn der Prozess wäre eine schöne Bühne gewesen, das System anzuprangern.

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