Im Kopf eines Schleppers

Von Hamun Tanin

Im Kopf eines Schleppers

Ob ich ein guter oder schlechter Mensch bin, möchte ich hier nicht diskutieren (lassen). Denn diese Diskussion wird ohne mich geführt. Fluchthelfer oder Schlepper, Menschenhändler oder Schleuser, es gibt einige Begriffe, die meinen Beruf versuchen zu beschreiben. Ja, es ist ein Beruf wie jeder andere auf dieser Welt. 

Mein Wecker klingelt, er zeigt 3 Uhr morgens. Ich gehe mir schnell die Zähne putzen. Ich steige in mein Auto und hole drei Arbeitskollegen ab. Wir fahren zu einem Parkplatz für LKWs, die am nächsten Tag nach Italien abreisen. Wir suchen einen nicht abgeschlossenen LKW und verstecken die Flüchtlinge zwischen den Orangenkisten. Ich sage zu ihnen, dass sie es nicht wagen sollten, eine der Früchte zu essen. Denn wird eine Kiste geöffnet, entwickeln sich Gase, die sich in der Kabine ausbreiten, woran sie ersticken können. Um 5 Uhr telefoniere ich mit Ernestos, der Polizist am Hafen ist und frage ihn, ob er sein Geld erhalten hat. Ich gebe ihm das Kennzeichen des LKWs durch und er weiß, was er zu tun hat. Um 13 Uhr werde ich aus meinem Schlaf gerissen, dieses Mal ist es nicht der Wecker, sondern die Türklingel. Ich öffne und sehe Mohammed. Er erzählt mir, dass die fünfköpfige Familie vor seiner Tür stehe und sie in dem Hafen nicht durchgekommen sind.

Verflucht sei Ernestos! Wir fahren gemeinsam zu der Familie, die seit fünf Monaten auf den Straßen von Patras lebt. Ich verlange nochmal 500 Euro von ihnen und wir versuchen das Ganze in der kommenden Nacht wieder. Der nächste Morgen bleibt ruhig, es scheint, als ob sie durchgekommen sind. Es ist mir wichtig, dass ich meinen Job richtig mache. Ich übe ihn seit fünf Jahren aus. Vor fünf Jahren kam ich selbst als Flüchtling aus Afghanistan nach Griechenland. Hier versuchte ich mich durchzuschlagen; ich erlitt jedoch Rückschläge auf meinem Weg nach Italien. Über Albanien und Mazedonien wollte ich damals nicht probieren nach Westeuropa zu gelangen. Eines Tages traf ich Ali, der mir erzählte, dass er einem Schleuser immer wieder hilft, die Flüchtlinge über die Grenze nach Italien oder Mazedonien zu bringen und fragte, ob ich dabei sein möchte. Ich sagte damals ja und blieb dabei. Davor habe ich mich auf dem Bau rumgeschlagen oder auch auf den Plantagen. Doch die Löhne waren sehr gering und ich musste oft auf die Bezahlung Monate lang warten

(der ganze Artikel im PDF Format)