Das Zeitalter der Unvernunft

Text und Übersetzungen von John Figueroa und Ariane Mertz

In unserer durch moderne Technologien enger zusammengerückten Welt ist die Kluft zwischen Menschen aus verschiedenen Ländern und Kulturen größer denn je. Wie die jüngsten Ereignisse gezeigt haben, lassen viele von uns keine anderen Ansichten als die eigenen gelten und stehen allen, die anderer Meinung sind, immer feindseliger gegenüber. Ob die Zeit wohl gekommen ist, unsere Standpunkte zu hinterfragen? Eine Betrachtung über verschiedene Aspekte der USA und eine Aufforderung, uns gegenseitig besser zuzuhören.

Kritisches Denken. Definition: Die objektive Analyse, Beurteilung und Hinterfragung eines Sachverhalts, um sich ein Urteil zu bilden.

Kürzlich hat mir ein Freund – nennen wir ihn mal Werner, um seine Privatsphäre zu schützen – wegen des Erfolgs von Donald Trump im US-Wahlkampf den Kopf gewaschen (das war vor dessen Wahlgewinn). „Ihr seid so dumm in den USA, es ist unglaublich, dass ihr diesen Mann unterstützt!“

Er war ziemlich aufgebracht – mit erhobener Stimme und fuchtelndem Zeigefinger. Ich versuchte, cool zu bleiben. Schließlich war ich ja gleicher Meinung. Für mich ist Trump eine Katastrophe und eine Blamage. Außerdem bin ich als Amerikaner in Deutschland an solche Sachen gewöhnt. Die Leute sind wütend über die Militärinterventionen und kulturelle Vorherrschaft der USA. Vieles sehe ich ähnlich; manches finde ich zu undifferenziert, aber das hebe ich mir für einen anderen Artikel au.

Ich hab’ mir also die Standpauke von ihm angehört so gut es ging, doch dann ist mir plötzlich etwas klar geworden und ich meinte:

„Wenn du ein US-Staatsbürger wärst, würdest du, glaube ich, Trump wählen!“

Er machte große Augen, ich konnte sehen, dass er sich zutiefst beleidigt fühlte.

„Denk mal darüber nach“, sagte ich und zählte die verschiedenen Standpunkte auf, die Werner so befürwortet: die Schließung der deutschen und europäischen Grenzen und ein Einwanderungsstopp, bis die Antragsteller auf ihre Kontakte zu Terroristen überprüft wurden; Deutschland raus aus der NATO und verbesserte Beziehungen zu Vladimir Putin; Einsatz des Militärs gegen den IS, und so weiter, und so fort … Werner hält es außerdem für plausibel, dass es eine muslimische Verschwörung gibt, Europa zu infiltrieren und innerhalb weniger Generationen den ganzen Kontinent zu überrollen. Auch vertraut er den in Deutschland lebenden Türken nicht wirklich; sie könnten Sympathisanten des IS sein, sagte er.
„Das alles deckt sich doch mit vielen von Donald Trumps Ansichten“, meinte ich, „wenn man die ethnischen Gruppen als Zielscheibe der Vorurteile entsprechend austauscht.“

„Nein, nein, VÖLLIGER QUATSCH!“, schrie er.

Aber soviel ich auch protestierte, er wollte nicht einmal versuchen, seine politischen Ansichten aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Es hieß einfach: „Nein, du hast unrecht – ich bin nicht wie Trump und Amerikaner sind alle Idioten.“ Ich habe ihn nochmal gebeten, mir bitte zu erklären, was an meinen Überlegungen denn nicht stimme. Er weigerte sich.

(der ganze Artikel im PDF Format)