Oh, what a night!

Von Matthias Weinzierl

Oh, what a night!

Eine peinliche Erfahrung mit Paternalismus stammt aus den Anfängen meiner Tätigkeit im Flüchtlingsbereich in den frühen Neunzigern. Damals waren wir der Asylarbeitskreis Prager Straße: jung, motiviert und unglaublich naiv. Unser AK bestand aus etwa zwölf jungen Leuten, größtenteils Schülerinnen und Schüler, Zivis und Studierende. Einmal pro Woche trafen wir uns im Containerlager in der Prager Straße. Dort spielten wir mit den Kindern, organisierten Ausflüge, halfen bei den Hausaufgaben und betreuten eine Teestube. Bei Softcakes und dünnem Filterkaffee führten wir mit den Bewohnerinnen und Bewohnern stundenlange Gespräche über Gott und die Welt. Irgendwann befanden wir, dass es an der Zeit sei, eine Party für die uns bekannten Flüchtlinge im Lager zu organisieren. Da wir die meisten Kontakte zu afrikanischen Flüchtlingen hatten, war unser Partymotto schnell gefunden: Afrika.

Gesagt – getan: Wir produzierten Flyer und Plakate und luden stolz die uns vertrauten Bewohnerinnen und Bewohner des Lagers zur ersten „African Night“ in die wenige Trambahnstationen vom Lager entfernte katholische Jugendstelle München-Freimann. Der fulminante Slogan des Abends lautete „AK Pragerstraße meets Afrika“.

Zur Vorbereitung radelte ein engagierter Aktivist beherzt in die Stadtbibliothek und besorgte afrikanische Kochliteratur und eine CD mit südafrikanischer Volksmusik. Für unsere Kochvorhaben besorgten wir exotische Lebensmittel. Wir färbten Leinentücher mit Tee und hielten einige Trommeln bereit, denn Dekoration und Ausstattung sollten echte afrikanische Stimmung verbreiten. Wir hatten einfach an alles gedacht.

Dann war es soweit: Die Räumlichkeiten waren hübsch dekoriert, zu afrikanischen Klängen blubberte in zwei großen Töpfen eine rötliche Brühe (die kriminelle Mengen an Knoblauch und Cayennepfeffer enthielt), in der eine Unmenge Hähnchenschenkel schwamm, die sich langsam von den Knochen löste. Daneben sollte der Maisbrei trotz fleißigster Rührerinnenschaft nicht fest werden und transformierte sich lediglich zu einer gräulichen Pampe.

Wie auf einem Kindergeburtstag warteten wir voll Vorfreude darauf, was jetzt passieren würde. Doch es passierte – nichts. Kein Einziger der eingeladenen Flüchtlinge erschien. Wir waren frustriert. Hektisch wurde telefoniert und schließlich schickten wir eine kleine Delegation los, um unsere Gäste doch noch zur Party zu lotsen.

Als dann nach geraumer Zeit ein kleines verhuschtes Grüppchen junger afrikanischer Männer auftauchte setz – te eine etwas peinliche Stille ein. Wir waren verkrampft und hatten keine Idee wie die Party in Gang zu setzen wäre. Wir verteilten Essen. Die meisten Flüchtlinge hatten jedoch keinen Hunger und starrten etwas unschlüssig auf die von uns postpubertären Wohlstandskindern gebastelten Afrika-Phantasien.

Mit dem stetigen Einsatz von Alkohol kam die erste Lockerung. Unsere Gäste begannen sich verstärkt für die anwesende Frauenschaft zu interessieren und starteten erste Kontaktaufnahmen. Das war eigentlich nicht verwunderlich, waren doch die Bewohner des Containerlagers zu einem guten Teil alleinstehende Männer, die unter erheblicher Isolation litten. Wir waren überfordert. Unsere Aktivistinnen wussten nicht, wie sie mit den zunehmend aufkommenden Flirtangeboten der Gäste umgehen sollten. Wie konnten sie bloß ihre Erwartungen dämpfen, ohne als potentielle Rassistinnen wahrgenommen zu werden? Die Stimmung war endgültig im Keller, zurück blieb nur kollektive Verkrampftheit.

Wir hatten uns auf ein gegenseitiges Kennenlernen, einen Austausch und ein gemeinsames Fest gefreut. Doch mussten wir feststellen: Wir wussten nichts miteinander anzufangen. Die Peinlichkeit hielt an und irgendwann flüchteten unsere Gäste.

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