Mörder, Nazis und „gemäßigte Radikale“

Von Friedrich C. Burschel

Mörder, Nazis und „gemäßigte Radikale“

Die neofaschistische Szene in Deutschland zwischen Modernisierung und Zersplitterung, zwischen Verbot und Bedeutungsverlust.

Seit dem 4. November 2011 ist alles anders als es vorher war. Die kaltblütige Ermordung von zehn Menschen aus rassistischen Motiven kam durch den angeblichen Doppelselbstmord zweier der mutmaßlichen Täter nach einem gescheiterten Banküberfall in Eisenach an den Tag. Die beiden toten Männer in einem ausgebrannten Wohnwagen waren Mitglieder einer Mörderbande, die sich selbst „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) nannte. In den Jahren 2000 bis 2007 hatten sie sich gezielt Kleinunternehmer mit türkischen, einen auch mit griechischen „Wurzeln“ ausgesucht, ihre Internetshops, Blumenläden, Imbissbuden und Schlüsseldienste ausgespäht und sie dann mit Kopfschüssen umgebracht. 2007 fiel auch eine Polizistin den Mördern zum Opfer. Außerdem werden ihnen zwei Sprengstoffanschläge, einer in der überwiegend von Migrantinnen und Migranten bewohnten Keupstraße in Köln, sowie etwa 15 Banküberfälle zur Last gelegt.

Polizei, Geheimdienste und Kriminalisten gingen wie selbstverständlich davon aus, dass es sich um Morde im „migrantischen Milieu“ gehandelt haben muss: Angehörige der Opfer wurden über Jahre rassistisch unter Verdacht gestellt, ihren toten Vätern, Brüdern, Onkeln Verbindungen ins Drogengeschäft, zur türkischen Mafia oder ins organisierte Verbrechen nachgesagt und einzelnen Hinterbliebenen sogar Eifersuchtsmord vorgeworfen. Niemand, auch eine kritische Öffentlichkeit nicht und auch nicht die linke Szene, kamen den so staatlich diffamierten und gequälten Trauernden zu Hilfe.

Gefährliche Staatsorgane Mit den NSU-Enthüllungen geht der größte Geheim – dienstskandal in der Geschichte der Bundesrepublik einher: Die „Verfassungsschutz“ genannten 17 In – lands geheimdienste stehen heute im Verdacht, die tödlichen Machenschaften des NSU mindestens geduldet, wenn nicht begünstigt zu haben oder gar durch die Mitarbeit und Information von Personen in der NaziSzene direkt in das terroristi – sche Geschehen verstrickt zu sein. Vier parlamentarische Untersuchungsausschüsse – im Bundestag und in den Länderparlamenten von Thüringen, Sachsen und Bayern – versuchen derzeit unter enormem Zeitdruck Licht in die haarsträubenden Machenschaften der Dienste und die Morde des NSU zu bringen. Als freilich die baden-württembergi – sche Integrationsministerin Bilkay Öney den türkischen Begriff des „tiefen Staates“ im Zusammenhang mit dem NSU-Skandal verwendete, war die Empörung groß. Und das, obwohl noch während der laufenden Ermittlungen von den Behörden Akten vernichtet und Beweismittel zurückgehalten werden, offen gelogen wird und immer neue unfassbare Details bekannt werden. Im Moment sieht es eher danach aus, als würde der Inlandsgeheimdienst aus der Affäre noch gestärkt hervorgehen. Obwohl selbst ein bürgerlicher Journalist wie Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung am 7. Januar 2012 feststellte: „Hat der Verfassungsschutz von den Neonazi-Morden wirklich nichts gehört und gesehen? Dann ist er (…) überflüssig. Und wenn er nichts hören und sehen wollte? Dann ist er eine Gefahr für die Verfassung.“ Der Ruf nach Abschaffung dieser gefährlichen Staatsorgane aber ist schon fast wieder verhallt

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