Maschine Kapitalismus

Von Tom Reiss

Maschine Kapitalismus

Über den Zusammenhang von Science Fiction, globaler Marktordnung, Vernetzung und Ideologiekritik.

Das folgende Szenario aus der Science Fiction ist wohlbekannt, nicht nur den Nerds unter uns: eine Gruppe von Menschen (üblicherweise reiche Sonderlinge/gierige Wirtschaftsbosse/unethische Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen) hält es für eine prima Idee, komplett autonome und lernfähige Maschinen zu konstruieren. Die Motivation ist mal Bequemlichkeit, mal Gier, mal wissenschaftliche Hybris; das Ergebnis ist jedes Mal eine vom Untergang bedrohte Menschheit und eine despotische Maschinenmacht, die diese Restmenschheit entweder zu vernichten trachtet („The Terminator“), sie unterdrückt („Battlestar Galactica“) oder für ihre eigenen Zwecke missbraucht („The Matrix“).

Mr. Smith-Agenten, Skynet und die Cylons

Schlimm genug, möchte man meinen. Aber während die Maschinen und künstlichen Intelligenzen in diesen Szenarien oft genug gefährlich und furchteinflößend ob ihrer überlegenen Kraft, Zahl oder Denkfähigkeiten sind, ist es doch ein anderer Grund, der den Topos der Maschinenherrschaft so beliebt und so symptomatisch für moderne Urängste macht: Im Gegensatz zu den Menschen sind die Maschinen vollkommen vernetzt. Sie kommunizieren ohne Verzögerung, sie haben einen gemeinsamen Plan, den sie gemeinsam ausführen, sie sind perfekt organisiert und in ihrem Vernetztsein für alle Zwecke und Absichten omnipräsent und allwissend. Die „Mr. Smith“-Agenten beherrschen die Matrix, „Skynet“ regiert von der Zukunft aus das Schicksal der Menschheit, und die „Cylons“ tilgen beinahe alle Menschen aus dem Universum.

Die Vernetzung ist es, welche die dystopischen Maschinen grundlegend anders, mithin unheimlich macht. Sie ist es auch, die in der Vergangenheit der linken Literaturwissenschaft und -kritik wieder und wieder Stoff für Analogien zum globalen Kapitalismus gegeben hat. Wie die Maschinennetzwerke ist dieser imperialistisch, inkompatibel mit alternativen Gesellschaftsentwürfen, parasitär, geprägt von kalter Gewissenlosigkeit und: vom Menschen selbst gemacht. Ursprünglich von der kurzsichtigen Menschheit als Werkzeug und Mittel zum Zweck entwickelt, entwickeln die Maschinen – ebenso wie globale Finanzmärkte – ein unheimliches Eigenleben und wenden sich gegen ihre Schöpfer.

Ambivalenz mit satirischen Zügen

Umso interessanter ist das – gelinde gesagt – gespaltene Verhältnis der linken Literaturwissenschaft zur Science Fiction. Hier manifestiert sich ein bezeichnendes Changieren zwischen nüchterner Analyse und paranoidem Antagonismus; während Forscherinnen Forscher und Kritiker und Kritikerinnen seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts immer wieder die oben erwähnten Parallelen zwischen fiktionaler Herrschaft der Maschinen und den Problemen einer globalisierten Weltwirtschaft bemerken und als mahnende Lehrstücke loben, finden sich gleichzeitig ebenso viele linke Philologinnen und Philologen, die in denselben Narrativen gefährliche reaktionäre Propaganda erkennen.

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