F 84

Von Jana Weidhaase

Eine Familie kämpft gemeinsam mit Unterstützer*innen und einem Anwalt für den Auszug aus dem Abschiebelager. Denn ihr Sohn hat die Diagnose Autismus. Wie die Behörden dabei tricksen berichtet

Im Mai 2018 hatte das Kind D. Glück im Unglück. Sein Vater traf auf eine ukrainisch sprechende Aktivistin des Infomobils in Ingolstadt. Die Familie wohnte zu dem Zeitpunkt bereits länger als ein halbes Jahr in einem bayerischen Abschiebelager. Sein Vater konnte beim Infomobilteam, das sich gegen Abschiebelager einsetzt, erklären, welche Probleme seine Familie hat. Vor allem aufgrund der Behinderung des Sohnes.

Die medizinische Diagnose lautet Autismus oder verschlüsselt nach dem ICD 10 F 84. Diese internationale Codierung gilt sowohl in der Ukraine als auch in Deutschland. So zeigte die Mutter des Kindes einen ukrainischen Schwerbehindertenausweis mit eben diesem Code vor. Obwohl man F 84 über einige Sprachgrenzen hinweg verstehen kann, schien das in der Behörde, die für die Unterbringung und Identifizierung besonders schutzbedürftiger Menschen zuständig ist, niemand zu verstehen oder zu interessieren. Die Behörde forderte nach Vorlage des Ausweises eine vereidigte Übersetzung ins Deutsche. Diese war unter den Lebensbedingungen der Familie gar nicht so leicht zu bekommen, denn sie verfügten weder über die dafür nötigen finanziellen Mittel noch über die Kontakte. Auch die prinzipiell sehr engagierten Sozialarbeiter*innen hatten keine reguläre Sprachmittler*innen zur Seite. Dies stellte eine sehr große Barriere für die Familie dar, denn sie wussten nie, wen oder wie sie um Hilfe bitten konnten. Nach dem Treffen am Infomobil fand sich ein en- gagierter Rechtsanwalt und beantragte im Juni 2018 die private Wohnsitznahme für die Familie bei der dafür zuständigen Behörde, hilfsweise eine Verlegung der Familie vorübergehend in eine angemessene Unterkunft. Im Juli 2018 wurde das Kind in einem spezialisierten Kinderzentrum untersucht und die ukrainische Diagnose wurde bestätigt. Dann kam die Antwort der Behörde: Ein Recht auf Verlegung habe die Familie nicht, aber sie werde aufgrund ihrer Aufenthaltsdauer in eine andere Zweigstelle des Abschiebelagers verlegt.

Dort fand die Familie genau dieselben Lebensbedingungen vor, wie in dem Abschiebelager. Der einzige Unterschied war die Beschilderung. Dort stand jetzt GU-BAYTMI, was soviel heißt wie Gemeinschaftsunterkunft des bayerischen Transitzentrums. So wurden Abschiebelager in dieser Phase der Lagergeschichte Bayerns noch genannt, sie waren die Vorläufermodelle der jetzigen ANKER-Zentren. Es lag also ein Etikettenschwindel vor, denn eine Gemeinschaftsunterkunft wird nach bundesweit geltendem Asylgesetz von einer Aufnahmeeinrichtung unterschieden. Dies legte der Rechtsanwalt dar, forderte erneut die adäquate Unterbringung der Familie und bezog sich auch auf die Europäische Menschenrechtskonvention sowie die EU-Aufnahmerichtlinie. Ein halbes Jahr verging seit dem ersten Antrag ohne Resultat oder Antwort.

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