Ein Beispiel und kein Einzelfall

Von Katharina Grote, Franziska Sauer und Thomas Bollwein

Die Situation für Menschen mit Behinderung, psychischen oder körperlichen Erkrankungen in den ANKER- Zentren in Bayern ist desaströs. Trotzdem Ärzt*innen immer wieder öffentlich auf Mängel und Missstände hinweisen, will die Bayerische Staatsregierung keine Verbesserungen einleiten.

„Februar 2019: Eine 16-jährige Jugendliche mit einem nicht operativen Hirntumor befindet sich seit über einem Jahr im Anker-Zentrum. Sie lebt mit ihrer Mutter und zwei Geschwistern in einem Raum. Sie erleidet regelmäßig mehrmals in der Woche schwere Krampfanfälle, die nur durch ein starkes Narkosemedikament, das durch die Nase verabreicht wird, beendet werden können. Die beiden jüngeren Geschwister zeigen ausgeprägte Schlafstörungen und Ängste. Sie sorgen sich um ihre Schwester und müssen die Krampfanfälle mangels Möglichkeit der Separation immer miterleben. Die Zimmertür der Familie kann nicht verschlossen werden, und in regelmäßigen Abständen kommt die Frau aus dem Nachbarzimmer, die an einer psychotischen wahnhaften Störung erkrankt ist, direkt ins Zimmer der Familie. Die Jugendliche bringt zum Untersuchungstermin die umfangreichen Arztbriefe mit. Diese enthalten Empfehlungen, zum Beispiel eine Veränderung der psychosozialen Umstände, die für Rückzug, Schutz und eine reizarme Umgebung sorgen könnte. Dies gelingt trotz aller fachärztlichen Atteste aber nicht. – Das ist ein Beispiel; kein Einzelfall.“
So berichtete Daniel Drexler, Facharzt für Kinder- und Jungendpsychiatrie von seinen Erfahrungen aus dem ANKER-Zentrum in Ingolstadt/Manching. Drexler sitzt in einem vollen Konferenzraum im Bayerischen Landtag. Er ist einer der geladenen Sachverständigen der Expertenanhörung (sic!) zu den bayerischen ANKER-Zentren am 26.09.2019. Er trägt sachlich, mit ruhiger Stimme vor. Bedrückend eindringlich ist die schlichte präzise Beschreibung, von dem was circa 80 Kilometer entfernt Lebensrealität von Menschen ist. Wie ein Mantra wiederholt er dabei folgenden Satz: „Das ist ein Beispiel; kein Einzelfall.“
Eine Mutter, deren Kind unter frühkindlichem Autismus leidet, hat hier keine Möglichkeit ein Spiegelei zu braten, welches in den krankheitsspezifischen Spannungszuständen ein Stück weit für Entspannung sorgt und eine beruhigende Wirkung auf das Kind hat. Die Zwänge von Menschen mit Autismus mögen manchmal schwer nachvollziehbar sein, schwerer nachzuvollziehen ist jedoch der Umstand, dass es hierzulande nicht möglich ist, diesem einfachen, aber wohl wirksamen Bedürfnis eines Kindes nach einem Spiegelei nachkommen zu können. Die Unterbringung in den sogenannten ANKER-Einrichtun- gen als ein Ausdruck eines rigiden und restriktiven Asylregimes mit Sachleistungsprinzip und Kochver- boten, vermag genau das.

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