Die Guten ins Töpfchen

Von Holger Harms

Die Guten ins Töpfchen

Die Migrations- und Entwicklungspolitik der EU fördert einzig die Mobilität der Elite des globalen Südens und verfolgt dabei vor allem ihre eigenen Ziele.

Migration heißt immer auch Entwicklung, so die Europäische Union. Vorbei sind die Zeiten, in denen die Mobilität von Menschen des globalen Südens hier nur als Problem wahrgenommen wurde und mit allen Mitteln unterbunden werden musste. Denn entsprechend gesteuert könne Migration, so meint die EU, erhebliche Vorteile für Herkunfts- als auch Aufnahmeländer sowie natürlich für die Migrierenden selbst bedeuten. In dieser Konstellation profitiert die EU von den dringend benötigten Arbeitskräften und die „peripheren“1 Herkunftsstaaten von den Rücküberweisungen der im Ausland arbeitenden Staatsangehörigen. Und natürlich könnten die Migrierenden durch ihren Aufenthalt in der „entwickelten“ Welt Kenntnisse, Fähigkeiten und Kontakte erwerben, die sie nach ihrer Rückkehr zu ihrem und zum Vorteil ihrer Angehörigen nutzen. Soweit die Vorstellung der EU zu einer entwicklungsfördernden Migrationssteuerung.

Brain gain statt brain drain

Die von der EU betriebene, zusehends verzahnte Migrations- und Entwicklungspolitik sieht jedoch anders aus. So entwirft die Europäische Kommission unter dem Titel „Konsolidierung des Gesamtansatzes zur Migrationsfrage: Für mehr Koordinierung, Kohärenz und Synergie“ (2008) ihre Vorstellung einer kohärenten Politik in den Bereichen Migration und Entwicklung: Die sogenannte legale Migration soll gefördert, die sogenannte irreguläre bekämpft und das Zusammenspiel von Migration und Entwicklung begünstigt werden. Dabei will die EU die euphemistisch als „Partnerländer“ bezeichneten Staaten des Südens bei den Bemühungen unterstützen „ihre Kapazitäten zur Steuerung der legalen Migration auszubauen“. Ist im Gesamtansatz zunächst noch allgemein von der Förderung der Mobilität die Rede, so zeigt sich in der Umsetzung der Politik, wessen Mobilität genau gemeint ist. Explizit nennt die EU Forschende, Studierende, Unternehmerinnen und Unternehmer sowie Fachkräfte – die Elite also. Visaerleichterungen, Anerkennung von Studienabschlüssen, Übertragbarkeit von Pensions- und Sozialversicherungsansprüchen sowie weitere unterstützende Maß- nahmen sollen diese Gruppen für einen temporären Aufenthalt in der EU begeistern. Die behauptete zeitliche Begrenzung des Aufenthalts ist dabei wichtig für die Legitimation des Gesamtansatzes. Um nicht zur desaströsen Fachkräfteabwanderung im Süden beizutragen, hat die EU dafür das Konzept der zirkulären Migration ersonnen: Arbeitskräfte arbeiten oder forschen für eine vorher festgelegte Zeit in der EU, unterstützen schon während ihres Aufenthalts durch Rücküberweisungen ihre Angehörigen und dadurch indirekt auch ihre Herkunftsländer. Nach ihrer Rückkehr kommen ihre Kenntnisse und Kontakte schließlich der Entwicklung ihrer Länder zugute. Der durch die Fachkräfteabwanderung verursachte brain drain würde so zu einem brain gain.

Dabei blendet diese Vorstellung einer Wissensvermittlung aus der „entwickelten“ in die „zu entwickelnde“ Welt nicht nur die von der westlichen Hemisphäre verursachten Krisen aus und stellt den westlichen Entwicklungsweg als „natürliches“ Endziel einer jedweden Entwicklung dar. Die Idee des brain gain macht zudem die koloniale Kontinuität der unioneuropäischen Entwicklungszusammenarbeit deutlich. Selbst wenn man diese Betrachtungen unberücksichtigt lässt, ist doch die Wahrscheinlichkeit einer (freiwilligen) Rückkehr nach Beendigung von Forschung oder Beschäftigungsverhältnis eher gering. Legal migrierte Fachkräfte mit gesicherter qualifizierter Anstellung kehren nur in den seltensten Fällen zurück. Die Aussichten auf eine vergleichbare Arbeitsstelle und auch die Anwendbarkeit der erworbenen Kenntnisse sind oft nicht gegeben.

(der ganze Artikel im PDF Format)