„Denk ich an Deutschland in der Nacht“

Von Human

Diese Zeilen schrieb Heinrich Heine in seinem Pariser Exil im Jahre 1844 – nicht um seiner Sehnsucht nach Deutschland, sondern um der Sorge um seine Mutter Ausdruck zu verleihen. Ich möchte heute festhalten, dass wir – inmitten der Hilfsbereitschaft und Hilflosigkeit der Menschen um uns herum – nicht aus dem Blick verlieren sollten, worum es in Deutschland zwanzig Jahre nach dem Anschlag auf das Grundgesetz geht. Es geht darum, dass wir – so die übereinstimmende Annahme – von einer Welle der Solidarität für die Schutz- suchenden erfasst werden. Ich persönlich sehe jedoch keine Welle, sondern einen Bach, der verdorben und abgestanden riecht.

Die große Frage ist, warum sich die Helfenden gerade jetzt empören, wo die Zerstörung von Menschenleben durch die vertrackte Flüchtlings- und Asylgesetzgebung doch seit 1993 Teil der deutschen Geschichtsschreibung geworden ist. Wenn die Helfenden es ernst meinten mit der Hilfe, dann müssten sie auch deutlichere Zeichen gegen die diskriminierenden und zum Teil auch gesetzwidrigen Rahmenbedingungen für Flüchtlinge und Asylsuchende setzen. Sie müssten auf die Straße gehen – wie nach der Fukushima-Katastro- phe – und einen wirklichen Wandel in der Flüchtlings- und Asylpolitik verlangen.

Die Helfenden greifen jedoch bei ihrer Hilfe auf veral- tete und zum Teil kolonialistische Bilder zurück. So wird hier deutlich, was seit Jahrzehnten in der Entwicklungs – hilfe sichtbar ist. Die Unmündigkeit der Hilfesuchenden aufrecht zu erhalten und die Abhängigkeit von den Helfenden zu sichern spielt auch hier eine nicht unbe- deutende Rolle. Wir müssen nicht mehr nach Kongo oder Sri Lanka, um dort Entwicklungshilfe zu leisten. Wir kön- nen unser Gewissen auch beruhigen, indem wir den Menschen hier bei uns ein wenig Hilfe leisten. Die Hilfe fruchtet jedoch nicht, wenn der Staat zum Rassismus erziehen möchte. Warum hat der Staat Erfolg damit, diskriminierende Gesetzgebungen umzusetzen? Weil die Bevölkerung nicht nur desinteressiert ist, sondern die menschenverachtende Politik gegenüber Asylsuchen- den und Flüchtlingen mitträgt.

Wenn die Flüchtlinge die Hilfe der Helfenden nicht wertschätzen, dann endet die Hilfe und die Flüchtlinge werden in den Wirren der Bürokratie allein gelassen. Die Flüchtlinge müssen sich nicht bedanken, denn es ist auch unser Konsumverhalten, das die Menschen zwingt, ihre Geburtsorte zu verlassen. Solange es humanitäre Inter- ventionen gibt und solange wir diese mittragen, solange wird es auch Flüchtlinge geben. Solange wir „mensch – lichen Abfall“ der deformierten Gesellschaft produzieren und exportieren, solange wird es auch Flüchtlinge geben. Solange unsere Sprache Brandsätze erzeugt und Men- schenleben im In- und Ausland vernichtet, solange wird es Flüchtlinge geben.

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