Unter Zugzwang

Von Sebastian Muy

Unter Zugzwang

Jedes Jahr versuchen tausende zentralamerikanische Migrantinnen und Migranten, irregulär in die USA zu gelangen. Der Weg durch Mexiko kommt dabei einem Spießroutenlauf gleich: Es drohen Kontrollen und Abschiebung, Raub und Vergewaltigung, Entführung und Mord. Trotz dieser unhaltbaren Zustände sperrt sich die mexikanische Regierung gegen eine Entkriminalisierung der Transitmigration.

„Wo waren die Parteien, die Bürgermeister, die Gouverneure, die Bundesbehörden, die Armee, die Marine, die Kirchen, die Kongresse, die Unternehmer; wo waren wir alle, als die Wege und Straßen, die nach Tamaulipas führen, sich in tödliche Fallen verwandelten für schutzlose Männer und Frauen, für unsere Brüder und Schwestern, Migrantinnen und Migranten aus Zentralamerika?“, fragte der bekannte mexikanische Schriftsteller Javier Sicilia vor circa 150.000 Demonstrierenden auf der Abschlusskundgebung des „Marsches für würdevollen Frieden und Gerechtigkeit“, der am 8. Mai diesen Jahres in Mexiko-Stadt stattfand. Er nahm damit Bezug auf den Mord an 72 mittel- und südamerikanischen Migrantinnen und Migranten auf einer Ranch im Nordosten Mexikos im August 2010. Angehörige der kriminellen Gruppierung „Los Zetas “ hatten sie ermordet, nachdem sie sich offenbar geweigert hatten, sich in deren Dienste zu stellen. Seitdem wurden vor allem im Norden Mexikos wiederholt Massengräber entdeckt, in denen Hunderte getötete Menschen, darunter viele Migrantinnen und Migranten, verscharrt worden waren.

Längst haben die Übergriffe auf Transitmigrantinnen und – migranten alarmierende Ausmaße angenommen und tragen einen gewichtigen Teil zur grausamen Bilanz des seit Jahren zunehmend eskalierenden mexikanischen „Drogenkrieges“ bei. Nach Schätzungen der nationalen Menschenrechtskommission sowie zivilgesellschaftlicher Organisationen werden seit einigen Jahren jährlich mehr als 20.000 meist zentralamerikanische Migrantinnen und Migranten auf ihrem Weg durch Mexiko entführt. Hinter den Taten stehen kriminelle Gruppierungen wie die erwähnten „Zetas“; oft mit Billigung oder Zuarbeit von mexikanischem Behördenpersonal. Migrierende werden häufig unter Folter gezwungen, Angehörige anzurufen und sie um die Übersendung eines hohen Lösegeldes zu bitten. Wer sich weigert oder über keine zahlungsfähigen Verwandten verfügt, wird gefoltert, verstümmelt und häufig ermordet. Besonders dramatisch ist die Situation der migrierenden Mädchen und Frauen: Amnesty International geht davon aus, dass sechs von zehn Transitmigrantinnen während ihrer Reise durch Mexiko sexualisierte Gewalt erleben.

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