Rechtlos im Rechtsstaat

Ein Interview von Agnes Andrae

Das café 104 ist Anlaufstelle für Illegalisierte in München

 

Was tun für Menschen, bei denen auf den ersten Blick jede Hilfe unmöglich scheint? Das café 104 berät seit 1998 Illegalisierte in München. Es ist unabhängig und wird von der Stadt München unterstützt und kooperiert mit Ärzte der Welt . Das café 104 macht neben der Beratung für Illegalisierte vor allem auch Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Birgit Poppert ist Gründungsmitglied der Anlaufstelle. Im Gespräch erzählt sie, welche Hilfe bei Illegalisierten möglich ist und was für Hürden hierbei im Weg stehen.

Wie ist es überhaupt möglich, als illegalisierte Person in München zu leben, ohne entdeckt zu werden?

Illegalisierte sind die besten Staatsbürgerinnen und Staats- bürger, die wir haben. Sie fahren, wenn es sich irgendwie machen lässt, nicht schwarz, werden nie eine Prügelei anfangen und sie gehen nicht ans Telefon. Das macht es für uns auch in der Arbeit mit ihnen schwierig. Unsere Klientinnen und Klienten rufen dann zurück und schauen, wer wohl dran gewesen ist. Sie machen auch nicht ohne Weiteres die Haustür auf. Man muss bei ihnen angemeldet sein oder sie rufen an und schauen, wer davor ist. Das Leben als Illegalisierter ist maßlos schwierig, weil man eben die ganze Zeit aufpassen muss, dass man nicht entdeckt wird, aber ganz besonders schwierig macht das ein Paragraph im Aufenthaltsrecht: der § 87 II Aufenthaltsgesetz. Der besagt, dass wenn öffentliche Stellen während der Arbeit erfahren, dass jemand illegalisiert ist, diese gezwungen sind, die illegalisierten Personen an die Ausländerbehörde zu melden, die dann natürlich sofort abschiebt. Zum Beispiel: Es kommt jemand ins Krankenhaus, der Arzt oder die Ärztin haben zwar Schweigepflicht, nicht aber die Verwaltung. Die melden das dann an die Ausländerbehörde weiter. Das bedeutet natürlich, dass Illegalisierte es vermeiden, ins Krankenhaus zu kommen. Sie alle kennen diesen Paragraphen und deswegen gehen sie auch sehr ungern zur Ärztin oder zum Arzt, weil sie Angst haben, trotz Schweigepflicht weitergemeldet zu werden.

Das heißt, Illegalisierte meiden Krankenhäuser, aber eine Allge- meinärztin oder ein Allgemeinarzt haben in ihrer Praxis Schweigepflicht?

Ja, aber Illegalisierte können natürlich auch keine Krankenver- sicherung abschließen, weil damit müssten sie auftauchen. Das heißt, sie sind immer darauf angewiesen, dass sie kostenlos oder privat behandelt werden. Ein weiteres Problem, das durch den § 87 II Aufenthaltsgesetz entsteht, ist, dass Illegalisierte nicht zur Schule gehen können.

(der ganze Artikel im PDF Format)