Hotzenplotz‘ Erben

Von Caspar Schmidt

Hotzenplotz’ Erben

Bis heute haben die sogenannten „Vertriebenen“ aus der ehemaligen Tschechoslowakei – sie selbst nennen sich „Sudetendeutsche“ – großen Einfluss auf die Politik in Bayern. Die Legenden und die dauerhafte Wirkmacht der „Heimatvertriebenen“ funktionieren nur unter Ausblendung ihrer zum Teil mörderischen Verstrickungen in die nationalsozialistische Vernichtungspolitik. Ein Plädoyer für die Abschaffung der diversen kulturellen Kampfbegriffe dieser NS-Erben.

Als 1954 in München der „Sudetendeutsche Tag“ stattfand, verkündete der damalige bayerische Ministerpräsident Hans Ehard dort feierlich seine persönliche Schirmherrschaft über die auch als „vierter Stamm Bayerns“ bezeichnete Gruppe. Seitdem wird diese Schirmherrschaft von Ministerpräsident zu Ministerpräsident weitervererbt. Die CSU nimmt ihre Aufgabe ernst, sie boxte im Bundesrat vor wenigen Jahren etwa durch, dass der 5. August zum nationalen Gedenktag der deutschen „Heimatvertriebenen“ werden soll. Der Bundestag versprach daraufhin, dieses Anliegen zu prüfen.

Der Begriff „sudetendeutsch“

Als Ehard 1954 seine Schirmherrschaft über die „Sudetendeutschen“ verkündet, ist der Begriff noch nicht alt. Vor dem ersten Weltkrieg bezeichnen sich die Deutschen in der 1918 ausgerufenen Tschechoslowakei (ČSR) noch als „Deutschböhmen“ oder „Deutschmährer“. Der Begriff „sudetendeutsch“ verbreitet sich erst mit dem Aufstieg der „Sudetendeutschen Partei“ (1935) von Konrad Henlein. Die Vorläufer der anti-tschechischen Partei waren unter anderem die „Sudetendeutsche Turnerschaft“, die „Sudetendeutsche Heimatfront“ und die „Deutsche Nationalsozialistische Arbeiterpartei“. Henlein gelingt es mit der Gründung der „Sudetendeutschen Partei“, wesentliche profaschistische deutsche Bewegungen unter einem Dach zusammenzufassen.

Die „Sudetendeutsche Partei“ arbeitet auf eigene Initiative hin eng mit der NSDAP zusammen. Sie erhält ab ihrem Gründungsjahr 1935 monatlich Zahlungen aus Deutschland und übernimmt immer mehr die Strukturen der in Deutschland herrschenden NSDAP. Sie gilt bald als deren „fünfte Kolonne“. Bei den Wahlen 1935 wird sie aus dem Stand stärkste Partei im tschechoslowakischen Parlament. Während die tschechische Bevölkerung sehr unterschiedliche Parteien wählt, geben 1938 über 90 Prozent der „sudetendeutschen“ Wahlberechtigten der „Sudetendeutschen Partei“ ihre Stimme. Sie zählt bald 1,35 Millionen Parteimitglieder – bei circa drei Millionen Deutschen. Die „Sudetendeutschen“ stellen eine antitschechische Minderheit dar, die den jungen Viel – völkerstaat entschlossen ablehnt. „Als Nicht-Nazi in den Sudetengebieten zu leben, ist reines Heldentum“, hält die britische Journalistin Sheila Grant Duff 1938 fest.

Destabilisierung der Tschechoslowakei

Die „Sudetendeutsche Partei“ gründet mit dem „Freiwilligen Selbstschutz“ eine Kampfgruppe nach dem Vorbild der SS. Sie organisiert immer wieder Pogrome in Gebieten, in denen sich tschechische Minderheiten aufhalten. Auch lässt sie Personen des Widerstands töten, die nach 1933 aus Deutschland in die noch unbesetzte Tschechoslowakei fliehen. Die Situation eskaliert vollends, als Hitler in seiner bekannten Parteitagsrede in Nürnberg am 12. September 1938 herausschreit, er sei „keineswegs gewillt hier mitten im Herzen Deutschlands“ ein „zweites Palästina“ entstehen zu lassen. „Die armen Araber sind wehrlos und vielleicht sind sie verlassen. Die Deutschen in der Tschechoslowakei sind weder wehrlos noch sind sie verlassen.“ Zwei Tage zuvor hatte Göring in Nürnberg schon betont, dass in der Tschechoslowakei ein „Kulturvolk dauernd unterdrückt und belästigt“ werde, womit jetzt Schluss sei.

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