zitiert & kommentiert

Von Hubert Heinhold

„Alter ist kein Verdienst!“…

… hält die Redensart dem entgegen, der aus der Anzahl seiner Lebensjahre Privilegien oder das „Recht-Haben“ ableiten will. Das Gegenteil beweist jeder Rentenbescheid. Auch sonst ist der Spruch falsch. Das Alter hat durchaus Gewicht, etwa wenn es Minderjährige durch die Beschränkung der Geschäftsfähigkeit vor unbedachten Geschäften oder über die Jugendschutzgesetze vor einer „sittlichen Verwahrlosung“ schützt. Kaum Relevanz wird dem Alter jedoch im Bereich des Ausländerrechts zugemessen. Die UN-Kinderrechtskonvention, die die menschenrechtlichen Standards für Kinder und Jugendliche benennt, stand bis zum Kabinettsbeschluss vom 3.5.2009, mit dem die Rücknahme der deutschen Vorbehalte beschlossen wurde, in Deutschland unter einem ausländerrechtlichen Primat: Keine Vorschrift sollte so ausgelegt werden dürfen, dass ein/e AusländerIn hieraus Rechte ableiten könnte, die ihr/ihm nicht ohnedies vorher zugebilligt worden wären. Dementsprechend verlegte das deutsche Asyl- und Ausländerrecht die Geschäftsfähigkeit auf das 16. Lebensjahr vor, ließ die Inhaftierung von Kindern und Jugendlichen zu Abschiebungszwecken zu, vernachlässigte das Gebot der optimalen Förderung und Bildung von Kindern und Jugendlichen zugunsten ausländerrechtlicher Residenz- und Lagerpflichten und achtete das Kindeswohl gering. Dies ist Rechtsgeschichte. Die Streichung des Vorbehalts zur UN-Kinderrechtskonvention muss zu Gesetzesänderungen führen und endlich dem Vorrang des Kindeswohls vor ausländerrechtlichen Maßnahmen Rechnung tragen.

Keine „UN-Konvention zum Schutz und für die Rechte der Alten“

Ein anderes, nicht weniger trauriges Kapitel ist der Umgang des deutschen Ausländerrechts mit Menschen ausländischer Herkunft in hohem Alter. Sie schützt keine „UN-Konvention zum Schutz und für die Rechte der Alten“, sie sind als Gruppe noch nicht ins Problembewusstsein gedrungen. Viele unserer „ZuwandererInnen“ haben keine ausreichenden Rentenansprüche erworben. Gleich, ob sie als „GastarbeiterInnen“ oder „Flüchtlinge“ kamen oder Angehörige der „zweiten Generation“ waren: viele fanden nur einen beschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt, meist im Niedriglohnsektor. Dementsprechend gering sind ihre Rentenansprüche. Ihr Lebensunterhalt ist durch die Rente nicht im verlangten Umfang gesichert. Über ihnen schwebt das Damoklesschwert des Ausweisungsgrunds nach § 55 II Nr. 6 AufenthG, wonach jemand ausgewiesen werden kann, wenn er „für sich, seine Familienangehörigen oder sonstige Haushaltsangehörige Sozialhilfe in Anspruch nimmt“. Viele mogeln sich damit durch, dass sie mit ihren spärlichen Renten in ihren Herkunftsländern ein Auskommen finden und nur noch pro forma in Deutschland leben, ohne die Bindungen zu ihrer zweiten Heimat Deutschland aufzugeben, weil hier ihre Kinder und Enkel leben. Andere hangeln sich von der einen Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zur nächsten in der Hoffnung, niemand möge nachfragen, wie sie mit ihrer Rente von 380,00 Euro ihre Miete und den Lebensunterhalt in Deutschland sicherstellen können. Permanente Unsicherheit ist der Preis.

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