#wecare

Von Christian Oppl

Rund 17 Millionen Euro hat die Transit- und Abschiebungshafteinrichtung am Münchner Flughafen gekostet, die Anfang dieses Jahres eröffnet wurde. Nicht nur viel Geld, sondern auch viel Aufwand betreibt die Bayerische Staatsregierung, um die Abschiebehaftkapazitäten zu erhöhen. Christian Oppl berichtet über die neue Einrichtung in München und die Menschen, die dort inhaftiert sind.

Am Münchner Flughafen Franz Josef Strauß werden seit 2018 Abschiebehäftlinge untergebracht, zunächst in Containern in einem Frachthangar und seit Anfang dieses Jahres in einem Neubau. Die Einrichtung dient dem Bayerischen Landesamt für Rückführung und Asyl und Innenminister Herrmann als Vorzeigeobjekt – moderner Bau, liberaler Vollzug, Kinderspielecke im Transitbereich. Die Website des Flughafens ziert das Motto #wecare. Diese Fassade soll über die Brutalität der bayerischen Abschiebepraxis hinwegtäuschen. Die Insassen sind nicht für ein Vergehen eingesperrt, sondern weil sie ausreisepflichtig sind. Und die Behörden des Freistaats sorgen für die Durchführung der Abschiebung. Die Kapazitäten der bayerischen Abschiebehaftanstalten haben sich in den letzten Jahren mehr als verdoppelt. Weitere Anstalten sind in Planung. Von einer erheblichen Ausweitung der Abschiebhaft ist auszugehen, nicht zuletzt weil Gerichte in den meisten Fällen bereitwillig die von den Ausländerbehörden beantragte Haft anordnen und Beschwerden dagegen abschmettern.

Wir sind eine Gruppe von Ehrenamtlichen und fahren seit 2019 wöchentlich an den Münchner Flughafen, um Inhaftierte zu beraten. Wir sprechen mit den Betroffe- nen und versuchen, ihnen die rechtliche Lage zu erklären. Wenn möglich, prüfen wir Rechtsmittel gegen die Inhaftierung. An der aufenthaltsrechtlichen Situation und der drohenden Abschiebung können wir so gut wie nie etwas ändern, wie etwa bei zwei Abschiebungen nach Russland – im Februar 2022. Beide Betroffenen sind Tschetschenen, einer ist Familienvater, seine Frau und seine fünf minderjährigen Kinder leben seit acht Jahren mit ihm in Deutsch- land. Alle sind ausreisepflichtig. Der Vater kam wegen kleinerer Armutsdelikte in Haft, daraufhin wurde seine Abschiebung durch die Zentrale Ausländerbehörde Mittelfranken angeordnet. Per Telefon erreichte uns die Familie wenige Tage vor der Abschiebung. Sie berichteten uns von der drohenden Verfolgung des Vaters in Russland als tschetschenischer Separatist. Ein Asylfolgeantrag und die Intervention bei der Auslän- derbehörde bleiben ohne Erfolg, der Mann wird schließlich ohne seine Familie nach Russland abgeschoben. Auch der zweite Betroffene ist Tschetschene, seit acht Jahren in Deutschland und strafrechtlich nie in Erscheinung getreten. Seine psychische Erkrankung wird per „Befundgutachten“, also ohne persönliche Untersuchung, von einem Notfallmediziner aus Brandenburg beurteilt: Einer Abschiebung stehe nichts entgegen. Auch hier unterstützen wir den Betroffenen beim Stellen eines Folgeantrags, um die Abschiebung in die Russische Föderation zu verhindern. Doch die Behörden halten an der Abschiebung fest, er wird zwei Wochen, bevor Russland einen Angriffskrieg gegen die Ukraine beginnt, nach Moskau abgeschoben.

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