Ungern in Ungarn

Von Till Schmidt

Ungern

Ungarns konservative Revolution

Der österreichische Journalist Karl Pfeifer hat den Holocaust überlebt. Er konnte rechtzeitig vor den Massendeportationen von Jüdinnen und Juden aus Ungarn 1943 fliehen. Seit Jahrzehnten beobachtet er die politischen und gesellschaftlichen Prozesse in Ungarn. Der heute 81jährige gibt Einblicke in das gesellschaftliche Klima und die politische Landschaft Ungarns, das durch seine gegenwärtige „Konservative Revolution“ mehr denn je Gefahr läuft, zu einer geschlossenen Gesellschaft zu werden.

Herr Pfeifer, angesichts der Ergebnisse der jüngsten Parlamentswahlen wurde in den deutschen Medien meist von einem „Rechtsruck“ gesprochen. Sie finden den Begriff inadäquat. Warum?

Zwar hat sich das gesellschaftliche Klima in den vergangenen Monaten radikalisiert, doch ist die Bezeichnung „Rechtsruck“ verharmlosend. Völkischnationalistisches bis national-sozialistisches Gedankengut ist in der ungarischen Gesellschaft schon lange kein Randgruppenphänomen mehr.

Vielmehr fällt die Sozialdemagogie und das Propagieren „nationaler Werte“ durch die Völkischen- und National-Sozialisten bei großen Teilen der Bevölkerung auf fruchtbaren Boden. Die Bezeichnung „Rechtsruck“ berücksichtigt auch die Gewalttätigkeit der extremen Rechten nicht, die bis zum Mord geht und sich gegen Roma sowie gegen Jüdinnen und Juden richtet. 2008/2009 wurden in Ungarn neun Roma ermordet, es kommt regelmäßig zu brutalen Anschlägen auf Roma-Siedlungen. Die Ungarische Garde, eine von Jobbik („die Besseren“ oder „die Rechteren“) gegründete paramilitärische Organisation, marschiert ungestört und bevorzugt in Roma-Siedlungen auf, obwohl sie gerichtlich verboten wurde. Dabei schürt sie gezielt Pogromstimmung in der Bevölkerung – in einer Gesellschaft, in der antiziganistische Stereotype und Ressentiments tief verwurzelt sind. Auch Jüdinnen und Juden sind immer wieder Angriffen ausgesetzt.

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