Sag mir wie alt du bist!

Von Maria Bethke und Dominik Bender

Sag mir wie alt du bist!

„Das erste Mal bin ich aus Eritrea geflohen. Das zweite Mal aus Malta.“ – Minderjährige Flüchtlinge auf der Weiterflucht in Europa“ – Minderjährige, die sich innerhalb Europas auf der Weiterflucht befinden, sitzen häufig in der Falle von Altersfeststellung und Dublin-II-Verfahren. Wie das Alter bestimmt wird, wer in das Verfahren involviert ist, welche Konsequenzen voneinander abweichende Angaben haben und wo der unbegleitete minderjährige Flüchtling schließlich landet: 

Mindestens zwei Regelungen machen es Asylsuchenden ebenso wie anerkannten Flüchtlingen grundsätzlich unmöglich, ihr europäisches Erstaufnahmeland zu verlassen: Erstens das in der Dublin-II-Verordnung von 2003 geregelte Verbot der wiederholten Asylantragstellung in unterschiedlichen europäischen Ländern. Und zweitens der Ausschluss anerkannter Flüchtlinge vom Recht auf Weiterwanderung innerhalb der Europäischen Union. Den Betroffenen droht also in aller Regel eine innereuropäische Abschiebung zurück ins Erstaufnahmeland.

Für unbegleitete Minderjährige gelten jedoch einige wenige Ausnahmen: Wenn es einen Familienangehörigen gibt, der sich in einem Dublin-Staat aufhält, ist dieser Staat für das Asylverfahren eines unbegleiteten Minderjährigen zuständig (Art. 6 und 15 Abs. 3 Dublin-II-VO). Gibt es keine solche Person, ist der Staat zuständig, in dem erstmals ein Asylantrag gestellt wurde, und das muss nicht unbedingt der Einreisestaat sein. Außerdem werden unbegleitete Minderjährige, falls sie nach Deutschland weiterfliehen, vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Gegensatz zu den meisten volljährigen Flüchtlingen nicht nach Griechenland oder Malta zurückgeschickt, weil das Bundesamt derzeit davon ausgeht, dass die Betroffenen in diesen Ländern unzumutbaren Lebensbedingungen ausgesetzt wären. Ist Weiterflucht also in engen Grenzen doch möglich? Die Beantwortung dieser Frage hängt, wie der folgende reale Einzelfall1 veranschaulichen soll, ganz maß- geblich davon ab, welches Alter den Betroffenen von den deutschen Behörden zugeschrieben wird.

Hin und Her zwischen Voll- und Minderjährigkeit

Im März 2009 meldet sich Sansilia aus Eritrea bei der deutschen Polizei als Asylsuchender und gibt an, 16 Jahre alt zu sein. Der Polizeibeamte hält das für gelogen und notiert ein fiktives Geburtsdatum, nach dem Sansilia gerade 18 Jahre alt wäre. Die Erstaufnahmeeinrichtung, an die ihn die Polizei daraufhin weiterleitet, verständigt allerdings das Jugendamt. Die Mitarbeiterin dort glaubt ihm, dass er erst 16 Jahre alt ist und bringt ihn in einem Kinderheim unter. Nach einigen Wochen stellt sich heraus, dass Sansilia über Malta eingereist und dort unter einem anderen Geburtsdatum registriert ist. Demnach wäre er bereits volljährig. Das Jugendamt beendet die Heimunterbringung und schickt ihn als Volljährigen zurück in die Erstaufnahmeeinrichtung für erwachsene Flüchtlinge und Familien.

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