Zwischen Legalisierung und Abschiebe-Razzia

Von Bern(h)ard Schmid

Eine der Außengrenzen der Europäischen Union, an der schon Menschen sterben mussten und die schon für Diskussionen sorgte, als Schiffsunglücke im Mittelmeer noch keinen Schlagzeilenstoff bildeten, verläuft durch Marokko.

Die europäische Außengrenze verläuft nicht zwischen Marokko und dem Staat xy, sondern durch Marokko, denn zwei spanische Enklaven und damit zur EU gehörendes Territorium liegen auf marokkanischem Boden. Aus historischen Gründen, die natürlich in der Kolonialgeschichte wurzeln, zählen die beiden Städte Ceuta und Melilla nach wie vor administrativ zu Spanien. In der Nacht zum 29. September 2005 und nochmals in jener zum 6. Oktober 2005 kam es dort – beim ersten Mal an der Außengrenze von Ceuta und beim zweiten Mal an jener von Melilla – zum Versuch massiver Grenzübertritte durch den Ansturm mehrerer hundert Migrantinnen und Migranten, meist aus dem subsa- harischen Afrika. Die Menschen versuchten den bewachten Grenzzaun unter dem gemeinsamen Gewicht zum Einsturz zu bringen – eine Strategie, die bis heute immer wieder zum Einsatz kommt. Bei der Niederschlagung dieses kollektiven Grenzübertrittver- suchs gab es 14 Tote. Bis heute wurden keine Verantwortlichen dafür verurteilt. Marokkanisches und spanisches Grenzpersonal schoben sich jahrelang gegenseitig die Schuld zu.

Die Toten von Ceuta und Melilla lösten grenzübergreifend in mehreren EU-Ländern eine Diskussion um die Toten an der EU-Außengrenze im Mittelmeerraum aus. Es gab Demonstrationen in mehreren EU- Ländern, Kampagnen, Diskussionsveranstaltungen und Buchveröffentlichungen rund um dieses Thema und dadurch eine verstärkte Sensibilisierung für die Problematik des häufig tödlichen Grenzregimes an den EU-Außengrenzen. In Marokko selbst jedoch hatten die Vorkommnisse ganz andere Folgen. Kurz darauf kam es zu groß angelegten Razzien und Festnahmen unter Subsaharians, die sich in der Region aufhielten, um ihren Grenzübertritt nach Europa zu versuchen. 3.000 von ihnen wurden gezwungen, in Busse zu steigen, um sie aus der grenznahen Zone wegzubringen. Mindestens 1.000 unter ihnen wurden mutmaßlich in der Wüste im Süden Marokkos, etwa in Grenznähe zu Algerien oder zu Mauretanien ausgesetzt – eine Information, die allerdings durch die marokkanischen Behörden offiziell geleugnet wird. Obwohl dieselben Behörden dann, einmal unter internationalen Druck geraten, Suchtrupps einsetzten, um die Ausgesetzten wieder aufzufinden, bevor sie verdursteten. Es gilt zwar unter Beobachterinnen und Beobachtern als wahrscheinlich, dass es dabei zu Todesfällen gekommen ist. Die Behörden Marokkos streiten das freilich kategorisch ab.

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