Muss Haft sein?
Von Stefan Keßler
Das europäische Recht gibt vor, dass vor der Verhängung von Abschiebungshaft mildere Mittel geprüft werden müssen. Wie wird dieses Recht in Deutschland umgesetzt und welche Maßnahmen anstelle von Haft greifen in anderen Ländern – auch außerhalb Europas? Zur Diskussion über Alternativen zur Abschiebungshaft.
Abschiebungshaft ist ein massiver Eingriff in das Grundrecht auf Freiheit. Aus dem Rechtsstaatsprinzip des Grundgesetzes, so das Bundesverfassungsgericht, ergibt sich, dass dieser Eingriff immer verhältnismäßig sein muss. Mit anderen Worten: Abschiebungshaft muss immer Ultima Ratio sein. Die Konsequenz daraus ist, dass ein Gericht einen solchen Freiheitsentzug nur dann anordnen darf, wenn im Einzelfall die Abschiebung nicht mit milderen Mitteln sichergestellt werden kann. Um Missverständnissen vorzubeugen: In diesem Beitrag geht es um Alternativen zur Haft, nicht um Alternativen zur Abschiebung. In der Diskussion gerät das immer wieder durcheinander. Eine mehr oder weniger freiwillige Ausreise ist beispielsweise eine Alternative zur Abschiebung, die dann Haft überflüssig macht. Der damalige UN-Sonderberichterstatter für die Rechte der Migranten, François Crépeau, hat 2012 eine Idee der International Detention Coalition aufgegriffen und vorgeschlagen, demgegenüber unter Alternativen zur Abschiebungshaft „alle Vorschriften, Strategien oder Handlungsweisen [zu verstehen], die Asylsuchenden, Flüchtlingen und Migranten den Verbleib in der Gemeinschaft ermöglichen, während sie auf ihre Ab- oder Zurückschiebung warten, wobei sie gewissen Einschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit unterworfen sein können.“