Die Antwoord

Von Justine Donner

Die Antwoord

– a phenomenon you can never understand?

Ninja, Yo-Landi Vi$$er und DJ Hi-Tek bringen 2009 mit $O$ das erste Album der Band aus Kapstadt raus, die jetzt in aller Munde ist. Eine Antwort oder viele Fragen?

Die Antwoord ist gegenwärtig wohl die im Musikjournalismus meistdiskutierte Band. Als „die Popsensation des Jahres“ werden die drei südafrikanischen Mitglieder Ninja, YoLandi Vi$$er und DJ Hi-Tek gehandelt. Begründen lässt sich das wohl an dem Grad der Verstörung, der durch ihre Musik und die eigene Inszenierung bewirkt wird. Laut Selbstdefinition handelt es sich dabei um futuristischen Rap-Rave, der den neuen Style ZEF verkörpern soll. Sie bedienen sich ungeniert sämtlicher Pop-Phänomene der letzten 20 Jahre, um sie in einer undefinierbaren Mischung aus Rap, Drum’n’Bass, Elektro und Pop wiederzugeben. Die Lyrics wechseln zwischen Rap und kindlich überspitztem Gesang. Auch die Charaktere lassen sich nicht gerne einordnen, wie ernst es ihnen selbst ist, bleibt ungeklärt. ZEF lässt sich als eine Art Proletentum verstehen und so geben sie sich auch, als White-Trash der südafrikanischen Gesellschaft: Bad-Boy meets Möchtegern-Rich-Girl. Die Texte wechseln zwischen Englisch und Afrikaans und geben die Alltagssprache ihres eigenen Umfeldes wieder. Es klingt alles wie ein schlechter Scherz, zumal bekannt ist, dass Ninja sich zuvor als Fernsehkomiker Max Normal einen Namen gemacht hat. Authentizität spielt im Pop längst keine Rolle mehr, doch inszeniert sich Die Antwoord auch noch in Interviews. Man weiß nie genau, ob es um die Haltung der echten Personen oder doch eher um die der von ihnen erschaffenen Figuren geht: „You don’t know who I am – I´m a phenomenon that you can never understand“. Die Grenzvermischung wird auf allen Ebenen durchgezogen, mittlerweile gängige Praxis im Musikbusiness. Jedoch wäre es wohl zu einfach sie lediglich als eine Parodie aufzufassen. Achtet man auf die Texte, finden sich Stellen, in denen eigene Minidiskurse produziert werden, die politische Relevanz besitzen: „I am a fucking Coloured if I want to be a Coloured. My inner colour just wants to be discovered“. Identität und Klassifizierung von Menschen in Form biologischer Bestimmtheit werden somit negiert. Eine klare Abgrenzung zur Apartheid wird geschaffen. Dieses Projekt ist dadurch ebenso ein verzerrter Spiegel der Lage Südafrikas, in dem all diese von ihnen aufgegriffenen Phänomene (in musikalischer und sozialer Hinsicht) in der Realität präsent sind. Die Antwoord gelingt es, den Bereich des Pop bis zum aktuell möglichen, beziehungsweise bekannten Maximum auszuloten und um südafrikanische Elemente zu erweitern, aber noch nicht zu überschreiten. Entstanden ist ein Album, das in jedem Fall in den Ohren bleibt. Sie stellen zwar „differente Zeichen“ her, die aber in eine „universelle Differenz, die sich leicht als Uniformität erkennen lässt“ (vgl. Diederichsen) münden: sie produzieren ihre eigene Einzigartigkeit in einem Zeitalter, das der Maxime der Individualität untersteht. Sie bewegen sich noch innerhalb der gängigen Erwartungen und können somit nicht als „alien rebels“ gelten, wie einst David Bowie, der es geschafft hat, sich solchen Herrschaftsstrukturen zu entziehen. Man muss hierbei auch bedenken, dass seither Jahrzehnte vergangen sind und der Anspruch an Pop nicht mehr derselbe sein kann. Aber gewiss wird das nicht das letzte Album bleiben. Ob es ihnen dann gelingt, wirklich neue Diskurse zu schaffen – diese Antwort steht noch aus.<

(der ganze Artikel im PDF Format)