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Ausgabe Nr. 49 | lobby


„Do you want to come up for a coffee?“
„I don’t drink coffee.“
„I haven’t got any.“

Brassed Off

Liebe Leser*innen, liebe Lobbylosen,

die Rüstungsindustrie hat sie, Sicherheitsunternehmen auch, Kinder oder Geflüchtete eher nicht: Eine Stimme, die in der Politik Gehör findet. Dass dabei das Empörungsgefühl anschwillt, ist verständlich.

Lobbys bieten aber auch ein einfaches Feindbild, sie erscheinen als Sinnbild von allem, was in dieser Gesellschaft falsch läuft: von Ungerechtigkeit und Ausbeutung, von Geld und Macht. Es ist leicht, sich zu beschweren, dass Wirtschaftsverbände mit viel Geld Einfluss auf die Politik nehmen. Oftmals ohne, dass die Öffentlichkeit davon etwas mitbekommt. Doch auch Umweltverbände und Gewerkschaften betreiben Lobbyarbeit – ebenso der Bayerische Flüchtlingsrat. Nur haben die einen bessere Mittel – respektive mehr Geld – zur Hand als die anderen; zudem werden die Interessen der einen häufiger berücksichtigt als die der anderen. Legitim ist das in der parlamentarischen Demokratie.

Es ist nur eine Frage des Standpunkts, ob man die eine Einflussnahme gut oder die andere schlecht findet. Ein Vorstandsvorsitzender eines Automobilkonzerns findet den Einfluss der Automobillobby wohl eher gut. Zugegeben: Manchmal ist es schwer, einen Standpunkt einzunehmen, in dem zum Beispiel Braunkohletagebau und die damit einhergehende Zerstörung von Umwelt und Dörfern sowie durch fossile Energien befeuerte Klimakatastrophen in irgendeiner Weise „gut“ gefunden werden können. Aber gut, RWE und E.ON sehen das vielleicht anders …

Doch da sind wir wieder im Problem der kapitalistischen Logik, die so manch eine*n zu merkwürdigen Standpunkten bringt und zwingt. Und wer sich auf der anderen Seite zu sehr auf den Einfluss von mächtigen Interessensgruppen auf die Politik konzentriert – so intransparent und öffentlichkeitsscheu dieser auch stattfindet – und nicht die systemischen Mechanismen mitberücksichtigt, landet schnell im Fahrwasser verkürzter Kapitalismuskritik und wirrer Verschwörungserzählungen. Der gedankliche Weg von der Lobby ins Hinterzimmer, in dem geheime Mächte angeblich die Geschicke der Welt leiten, ist ein kurzer.

Ja, Industrie-Lobbys können ein Problem in der Demokratie sein – doch das eigentliche Problem bleibt der Kapitalismus. Das ist so wahr wie trivial. Wie aber eine Welt ohne Kapitalismus aussehen könnte, damit befassen wir uns im nächsten Heft, der Jubiläumsausgabe mit dem schönen Titel „Utopie“. Es kann nur besser werden.

Bis dahin: Hört nicht auf, eure Stimme zu erheben!

Eure Lobbyist*innen von der
Hinterland-Redaktion

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Ausgabe Nr. 48 | raum


Liebe Leser*innen,

es ist ein (T)Raum. Wie passend es doch ist, dass ausgerechnet die Hinterland-Ausgabe mit dem Schwerpunktthema „Raum“ diejenige ist, die am meisten Raum einnimmt. Mit 140 Seiten ist dies die umfangreichste Ausgabe, die wir jemals gemacht haben. Das ist ja ein dickes Ding.

Ein dickes Ding ist auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zum Berliner Mietendeckel. Das Gericht hat einer Klage der Korruptionsgewinnler von Union und FDP gegen die Beschränkung von Höchstmieten stattgegeben, wodurch nun hunderttau- sende Berliner Mieter*innen darum bangen müssen, ob sie künftig ihre Wohnungen noch bezahlen werden können – damit ereilt sie dasselbe Schicksal wie die Menschen in München, Frankfurt oder Hamburg, wo die Mieten seit Jahren in absurde Höhen steigen. In der Begründung des BVerfG hieß es allerdings nicht, dass ein Mietendeckel an sich verfassungswidrig sei, sondern dass die Gesetzgebung in Berlin dies nicht beschließen könne und dass dies durch ein Bundesge- setz geregelt sein müsse.

Es gibt eben doch Möglichkeiten der Politik, regulativ in den Wohnungsmarkt einzugreifen. Und das Grundgesetz bietet noch mehr: Denn in Artikel 14 GG heißt es nicht nur, dass „Eigentum verpflichtet“, sondern auch, dass „eine Enteignung […] nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig“ ist – und Wohnen dient ja wohl dem Wohle aller. Sollte der Staat also einmal nicht nur als ideeller Gesamtkapitalist agieren, stünden Mittel und Wege offen …

Doch das Thema Wohnen ist nur ein kleines Feld in den unendlichen Weiten des Raums, den diese Ausgabe der Hinterland untersucht. Vom privatesten Raum über öffentliche Räume über Schutzräume und Räume des Gedenkens bis hin zu den Weiten des Meeres und sogar bis zum Weltraum ist alles vertreten.

Apropos Weltraum: Zum Mond schießen lässt sich auch die Corona-Politik der deutschen Regierungen. Während im Privaten die Einschränkungen immer strenger werden, wird der Wirtschaft jeglicher Raum gelassen. Während ein Treffen im Privaten nur mit einer Person erlaubt ist, darf man in überfüllten U- Bahnen, in denen kaum Raum zum Atmen bleibt, in die Arbeit fahren. Dort darf man dann in schlecht belüfteten Räumen am Fließband, im Schlachthof, im Call-Center oder am Schreibtisch neben dutzenden anderen buckeln. Nicht einmal eine Testpflicht gibt es, nur ein Testangebot. Wenn die Politik den Laden einfach für drei Wochen zusperren würde, dann hätten wir auch wieder mehr Spiel- und Freiraum.

Doch die Isolation hat zumindest den kleinen Vorteil, dass somit mehr Zeit bleibt, die Hinterland zu lesen. Und dass diese Ausgabe wieder eine ganz besondere ist, haben wir auch dem großartigen rasso rottenfusser zu verdanken, der an der Gestaltung mitgewirkt hat. Nicht nur das Titelbild hat er beigesteuert, auch viele Illustrationen und Designelemente von ihm ziehen sich durch das gesamte Heft und nehmen Raum ein, machen Raum deutlich. Und einen eigenen Raum bekommen ab jetzt auch die neuen Kolumnen „Tabea teilt aus“ von Tabea Danner und „Es bleibt kompliziert“ von Jan Kavka.

Bis dahin: Hört nicht auf, euch Freiräume zu erkämpfen!
Eure Raumwunder von der Hinterland-Redaktion

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Ausgabe Nr. 47 | systemrelevant


Liebe Relevanten und Irrelevanten, liebe Leser*innen,

wie zu erwarten war, ist die Corona-Pandemie im Sommer nicht plötzlich verschwunden, und es ist auch nicht weiter verwunderlich, dass die Zahlen hierzulande im Herbst und Winter wieder angestiegen sind. Doch die Bundesrepublik nimmt sich irrigerweise immer noch als Musterschülerin der Pandemiebekämpfung wahr – in klassischer deutscher Arroganz. So wie sie sich schon 2015 selbst als Hort der Humanität hochgelobt hat, nur weil sie das menschlich Mindestnotwendige getan und ihre Grenzen nicht geschlossen hatte. In Anbetracht der Verhältnisse, unter denen die hier Angekommenen heute leben müssen, ist es mit dem Humanismus nicht weit her. Aber Deutschland kann sich ja ganz gut verkaufen, wenn es die Welt einmal nicht in den Abgrund stürzt.

Und wie bei der Aufnahme Geflüchteter, so gibt es auch in der Pandemiebekämpfung Länder, die das wesentlich besser machen. Einige mit einer solidarischen Bevölkerung, manch andere, wie China, auch mit autoritären Maßnahmen. Währenddessen fabulieren hier verwirrte Verschwörungsgläubige, esoterische Extremist*innen, Reichsbürger*innen und Rechtsradikale von Diktatur, Faschismus oder gar von einer lange geplanten, geheimen Weltverschwörung unter der Ägide von Christian Drosten, wenn sie zum Schutze der Gesundheit und des Lebens anderer Menschen einmal in der U-Bahn für zehn Minuten eine Maske tragen müssen. Verschwörungserzählungen und antisemitische Tropen haben wieder Hochkonjunktur. Die Polizei überlässt den rechten und esoterischen Corona-Leugner*innen die Straßen, Medien schenken ihnen Sendezeit. Der Wahn scheint zu triumphieren und die Vernunft verdrängt zu werden.

Andere wiederum beklagen, dass sie nicht mehr feiern und nach 22 Uhr kein Bier mehr trinken dürfen, ja, dass sie gar einmal eine Zeit lang zuhause bleiben sollen. Medien und Politik finden in diesen Feiersüchtigen natürlich auch gleich die Schuldigen für neue Infektionsketten. Gleichzeitig müssen aber, unbeachtet von der Öffentlichkeit, die Angestellten in Krankenhäusern und Pflegeheimen, Logistikunternehmen oder Werkshallen trotz eigentlich verordneter Quarantäne oftmals weiterarbeiten, wenn sie Kontakt zu Infizierten hatten. Hygienevorschriften werden an Arbeitsplätzen nicht ein- gehalten. Die Räder müssen schließlich rollen. Wurde beim ersten Lockdown noch das Leben der Menschen über die wirtschaftlichen Interessen des Kapitals gestellt, so nimmt nun der Schutz der Wirtschaft einen höheren Stellenwert ein als der Infektionsschutz. Die privaten Kontakte sollen verringert werden, die in der Arbeit jedoch nicht immer.

Und die in ihrer Existenz von der Krise besonders Getroffenen, etwa in der Gastronomie und Veranstaltungsbranche, wie Kunst und Kultur, müssen um ihr Überleben kämpfen. Und die in der Krise Geforderten, wie Pflegepersonal und Paketlieferfahrer*innen, müssen ihre Gesundheit oder ihr Leben riskieren. Und nicht einmal mehr eine Schachtel Merci oder Applaus am Fenster gibt es inzwischen noch für vormals als systemrelevant gepriesene Berufe. Von den großen Tönen und den kleinen Gesten ist fast nichts mehr übrig. Und noch mehr als die Ausgebeuteten scheinen Geflüchtete in Unterkünften in Deutschland oder in Lagern auf griechischen Inseln für dieses System keine Relevanz zu haben. Ihr Schicksal ist den Nachrichten nur noch eine Randnotiz wert.
Dieses Heft möchte nun fragen, was denn relevant ist in diesem System, in diesem falschen Ganzen, möchte fragen, wo das System die eigentlich Relevanten vergessen hat. Wie steht es mit der Relevanz von Geflüchteten, von Sexarbeiter*innen, von queeren Räumen und von Kultureinrichtungen? Denn eines ist ein Grundtenor bei all den Texten dieser Ausgabe: Die Betroffenen wurden kaum gehört und selten gefragt, sämtliche staatlichen Entscheidungen und Regelungen gingen an ihrer Lebensrealität vorbei – sie waren wohl nicht systemrelevant.
Hört nicht auf das System zu hinterfragen.

Eure Systemelefanten aus der Hinterland-Redaktion

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Ausgabe Nr. 46 | jung sein


„Irgendwas bleibt immer 16

Irgendwas wird niemals älter“
but alive

Liebe Junggebliebenen, Liebe Leser*innen,

der Traum von ewiger Jugend und Schönheit treibt die Menschheit mindestens seit der Antike um. Nun ja, schön sind wir in der Hinterland-Redaktion und ihr vor den Heften sowieso. Und irgendwie waren wir doch alle auch mal jung – oder sind es sogar immer noch. Zumindest im Kopf.

In der westlichen Welt herrscht eine Vorstellung vom Jungsein vor, die an ein Ideal von Unbeschwertheit und Freiheit in Sicherheit geknüpft ist. Davon, dass junge Menschen sich ausprobieren können und gleichzeitig Schutz bekommen; davon, dass sie sich frei entwickeln und entfalten können. Doch für viele junge Geflüchtete erfüllt sich dieses Ideal gerade nicht. Nicht an den Orten, an denen sie geboren wurden, nicht auf der Flucht und nicht dort, wo sie ankommen. Nicht in Geflüchteten-Lagern wie im syrischen Idlib oder in Moria auf Lesbos, nicht in einem der sogenannten AnkER-Zentren in Bayern. Sie werden zermürbt zwischen ihrem Wunsch und ihrem Bedürfnis nach dem ihnen zustehenden unbeschwerten Jungsein auf der einen und den Zumutungen und Zurichtungen der Umwelt, in der sie leben, auf der anderen Seite.

Sie sind nicht nur, wie alle Geflüchteten, von den Fluchtursachen und der Flucht selber geprägt, sie sind vor allem erst einmal Kinder und Jugendliche. Sie wollen spielen können, in die Schule gehen (mal mehr, mal weniger), etwas mit Freund*innen unternehmen oder sich verlieben – alles, was Kinder und Jugendliche eben tun. Doch Gesellschaft und Behörden legen ihnen Steine in den Weg, struktureller und institutioneller Rassismus schlägt ihnen entgegen, die äußeren Umstände lassen sie viel zu schnell erwachsen werden. So sind sie zwar dem Alter nach jung, ein Jungsein ist ihnen allerdings oftmals nicht gegönnt.

Geflüchtete junge Menschen werden im öffentlichen Diskurs meist einfach nur als „Flüchtlinge“ oder „die Anderen“ wahrgenommen. Diese Ausgabe des Hinterland-Magazins wollen wir ihrer Perspektive und ihren Geschichten widmen, sowie denen der (ehrenamtlichen) Fachkräfte und Unterstützer*innen. Um einen besseren Einblick zu bekommen, ist unsere Redaktion für diese Ausgabe eine Kooperation mit dem Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF) eingegangen, der sich seit 1998 für geflüchtete Kinder, Jugendliche und Heranwachsende einsetzt.

Manche der Geschichten lassen euch beim Lesen graue Haare wachsen, manche versprühen jugendlichen Leichtsinn. Spannend zu lesen sind sie alle.

So jung kommen wir nicht mehr zusammen.

Eure Kindsköpfe von der
Hinterland-Redaktion und vom BumF

 

Diese Ausgabe wurde gefördert von:

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Ausgabe Nr. 45 | zuhause


„Wir hamma heuer mal so eine Weltreise g’macht.
Aber ich sag’s Ihnen gleich wia’s is: da fahrma nimmer hin.“
Gerhard Polt

Liebe Zuhausegebliebenen, liebe Leser*innen,

als wir vor ein paar Monaten das Thema für diese Ausgabe festgelegt haben, dachten wir nicht, dass wir auf einmal so aktuell sein würden. Wir hätten uns auch eher gewünscht, es nicht zu sein. In der letzten Phase ist das Heft „zuhause“ nun also zuhause entstanden. Wir haben im Homeoffice gearbeitet und die Redaktionssitzungen per Videokonferenz abgehalten. So wie viele andere gerade auch. Doch trotz all der Umstände und Schwierigkeiten sind wir dennoch privilegiert: Wir können von zuhause aus arbeiten, weil wir ein Zuhause haben, wir können Social Distancing betreiben, also physische soziale Kontakte herunterfahren, weil wir einen Rückzugsort haben. Doch was ist mit all denen, die kein Zuhause haben? Oder mit denen, für die das Zuhause die eigentliche Gefahr darstellt?

So haben Obdachlose eben kein Zuhause, in dem sie bleiben könnten, sie haben oft nicht einmal die Möglichkeit, sich die Hände zu waschen. Opfer häuslicher Gewalt haben zwar ein Zuhause, würden aber lieber von dort fliehen – können dies aber im Moment nicht. Geflüchtete in „AnkER”-Zentren und Sammelunterkünften haben zwar so etwas Ähnliches wie ein Zuhause – zumindest ein Dach über dem Kopf –, doch sind sie dort auf engstem Raum mit wenig Abstand untergebracht, haben mit schlechten hygienischen Verhältnissen und mangelhafter medizinischer Versorgung zu kämpfen. Social Distancing ist da unmöglich. Wie soll man Erkrankte in einer überfüllten Geflüchtetenunterkunft isolieren, damit niemand anderes angesteckt wird?

Doch schlimmer geht es immer. So für die Menschen im Camp Moria auf Lesbos, wo mehr als 20.000 Personen zusammengepfercht werden in einem Lager für 2.000. Ohne adäquate sanitäre Einrichtungen, ohne medizinische Versorgung. Eng auf eng. Menschen, die ohnehin schon krank und geschwächt sind. Menschen, die traumatisiert sind. Doch die Europäische Union schaut wieder einmal weg, diesmal egoistisch erstarrt in der Angst vor dem Virus. Doch es muss endlich geholfen werden. Moria – so wie all die anderen Lager zwischen Lesbos und Idlib auch – muss evakuiert werden und die Menschen müssen in europäischen Ländern untergebracht werden, ihnen muss ein sicheres Zuhause gegeben werden. Alles andere ist unmenschlich. In Deutschland stehen übrigens gerade einige Hotels leer.

Überhaupt offenbart die EU in der Krise, dass sie eben keine Gemeinschaft ist. Grenzen werden wieder hochgezogen, nationale Alleingänge bestimmen das Bild, eine innereuropäische Solidarität gibt es nicht. Der schlimme Verlauf der Corona-Pandemie in Italien liegt auch am langjährigen deutschen Festhalten an der europäischen Austeritätspolitik, die die Länder Südeuropas kaputtgespart hat. Kann dieses Europa noch ein gemeinschaftliches Zuhause für alle Europäer*innen sein?

Zudem besteht die konkrete Gefahr, dass die jetzt epidemiologischen und medizinisch notwendigen Maßnahmen und Einschränkungen der Freiheit beibehalten werden und autoritäre Staaten entstehen. Neben Menschenleben müssen aber auch Demokratie und Grundrechte geschützt werden. Doch in der Krise ist sich jede*r am nächsten, der Nationalismus lebt wieder auf. Populist*innen – wie in Polen und Ungarn – nutzen die Pandemie geschickt, um ihre Macht zu erweitern und die Demokratie weiter zu zerstören.

Vielleicht bietet die Krise aber auch eine Chance. Es ist die Frage, wie wir sie nutzen. Natürlich wird nach der Krise nicht die utopische Gesellschaft der freien Assoziation freier Menschen entstehen, in der jede*r nach den eigenen Fähigkeiten arbeitet und nach den eigenen Bedürfnissen konsumiert – aber vielleicht lässt sich die Systemfrage zumindest stellen. Vielleicht gewinnt die Erkenntnis, dass elementare Wirtschaftszweige wie die Gesundheitsversorgung nicht kapitalistischen Prinzipien unterworfen sein dürfen.

Vielleicht gewinnt die Erkenntnis, dass nur intensivere internationale Zusammenarbeit und größere globale Solidarität die Probleme lösen kann. Es ist die Frage, ob wir die Welt zu einem lebenswerten Zuhause machen oder ob die Populist*innen und Nationalist*innen sie in die Barbarei treiben.

Wir werden es sehen.

Bis dahin könnt ihr ja die Hinterland lesen. Das aktuelle Heft ist übrigens wieder eine Zusammenarbeit mit der Designschule München. Die dritte inzwischen. Über 70 Schüler*innen des aktuellen Jahrgangs haben ihre Vorstellungen von Zuhause grafisch illustriert – und wie bei den letzten beiden Kooperationen auch, können auch dieses Mal leider nicht alle Arbeiten ins Heft genommen werden. Es wird aber auch dieses Mal wieder eine Ausstellung geben, in welscher alle Werke zu sehen sein werden – allerdings ist das mit der Planung momentan etwas schwierig.

Die Ideen zu den Illustrationen wurden noch vor der Corona-Krise entwickelt. Waren wir als Redaktion bei der Präsentation der Arbeiten zuerst noch erstaunt über die Häufigkeit, in der dort die Thematik der Toilette als ein Fixpunkt des Zuhauses auftritt, so haben sich darin schon nahezu prophetisch die Klopapier-Hamsterkäufe der letzten Wochen angedeutet. Die Toilette scheint bedeutender zu sein als wir es je gedacht hatten. Eine psychoanalytische Untersuchung, wie dies mit dem Freud’schen Konzept des Analen Charakters verbunden ist, könnte interessant sein. Vielleicht in einer der nächsten Ausgaben.
Wir hoffen, dass wir euch mit diesem Heft eine spannende Lektüre und interessante Illustrationen für die Zeit zuhause liefern können. Oder zumindest einen Klopapierersatz.

Bleibt gesund!
Euer Homeoffice von der Hinterland-Redaktion

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