Nicht hier, um zu lernen

Von Tom Reiss

Migration und Flucht nach Deutschland finden nicht in einem Vakuum statt. Während große Teile der deutschen Gesellschaft und Politik Migrant*innen und Geflüchtete als unliebsame Phänomene sehen, die hier auftauchen, Probleme verursachen, und hoffentlich zeitnah wieder verschwinden, handelt es sich, bei klarem Verstand betrachtet, um Menschen, deren Flucht nach Deutschland konkrete Gründe hat. Sie sollte ein Teil ihres Lebens sein, es jedoch nicht völlig bestimmen. Das Gegenteil passiert: Grundsätzlich stört und unterbricht die Flucht radikal die Biografie der Geflüchteten.

Von starken Brüchen in ihrer Bildungsbiogra- phie sind insbesondere junge Geflüchtete betroffen. Nicht nur bedeutet die Flucht, dass begonnene Bildungswege bis auf Weiteres nicht fortgeführt werden können. Hinzu kommt, dass nach Ankunft in einem anderen Land und einem anderen System diese Bildungswege unter Umständen überhaupt nicht anschlussfähig sind. Und umso schwieriger gestaltet sich die Inklusion junger Geflüchteter in deutsche Bildungsstrukturen. Es gilt nicht nur, erworbene Kenntnisse und vorhandene Lebensent- würfe mit neuen Strukturen zu vereinen und zu festigen, sondern auch, hierbei keine Zeit zu verlieren – denn Wissen, Motivation und Möglichkeiten verschwinden rapide, wenn man sie nicht pflegt und nutzt.
So wäre ein erfolgreiches Studium in Deutschland für Geflüchtete, ähnlich wie eine erfolgreiche Ausbildung oder ein erfolgreicher Schulabschluss, ein unbestreitbares Zeugnis erfolgreicher Inklusion und eines funktionierenden Bildungssystems, ein nicht zu widerlegender Beweis des unumstößlichen „Wir schaffen das“. Stattdessen werden – ähnlich wie Ausbildungen und Schulabschlüsse – sowohl der Zugang zu Hochschulen als auch das Studium selbst Geflüchteten systematisch erschwert, oft unmöglich gemacht. Dies gilt für alle Geflüchteten und Migrant*innen, wie auch für viele Deutsche mit Migrationshintergrund oder geringer wirtschaftlicher Basis. Besonders benachteiligt und systematisch ausgeschlossen sind jedoch Geflüchtete, deren Asylstatus noch unentschieden ist (die sich also, oft für viele Jahre, in Aufenthaltsgestattung befinden), deren Abschiebung aus gesundheitlichen oder humanitären Gründen untersagt ist (die sich also in Duldung befinden), und generell Geflüchtete, deren Herkunftsländern deutsche Behörden nicht automatisch eine hohe Bleibewahrscheinlichkeit beimessen. Hiervon sind insbesondere Menschen aus Afghanistan, Pakistan, Nigeria sowie anderen west- und zentralafrikanischen Ländern betroffen.

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