Warum abgeschoben wird. Und warum das nichts als Unfug ist.

Von Stephan Dünnwald

Gerade ist zum zweiten Mal ein Abschiebeflug von Deutschland nach Kabul abgesagt worden. Der außerordentliche Parteitag der SPD im Juni 2017 votierte gegen Abschiebungen nach Afghanistan. Wo sie aber in Bundes- oder Landesregierungen sitzen, votieren nicht nur SPD-Mitglieder, sondern auch Grüne dafür, Ab- schiebungen nach Afghanistan konsequent weiter durchzuführen. Die Union sowieso. Geflüchtete mit einer sogenannten „geringen Bleibeperspektive“ sind zum Spielball parteipolitischen Kalküls geworden. Ihre Abschiebungen werden um jeden Preis durchgesetzt. Wie es mit ihnen weitergeht, wenn sie zurückgeflogen sind, darum schert sich kaum jemand – vor allem ändert es nichts an der aktuellen Abschiebepraxis.

Für die Umstände, unter denen Abschiebungen aus Deutschland durchgesetzt werden, lassen sich starke Worte finden. Meist findet eine Verletzung grundlegender Menschenrechte statt. Oft wird den Menschen von der Polizei physische Gewalt angetan. Abschiebungen, gerade nach Afghanistan, gefährden die Sicherheit der Abgeschobenen massiv, setzen sie Risiken aus, denen sie nicht aus eigener Kraft entrinnen können, und werfen sie mittellos in eine Elendssituation. Eine solche Situation erlebt gerade im Moment Shams Ahmadi, der bis vor kurzem in Passau lebte. Er ist 24 Jahre alt. Ein Bombenanschlag in seinem Herkunftsland hatte seine Hand verkrüppelt und ihn traumatisiert. Im Winter 2016 verbrachte er einige Wochen in einer Psychiatrie. Er erhielt drei Sorten Psychopharmaka, um nach seiner Entlassung einigermaßen angstfrei leben zu können. Sein Asylantrag wurde abgelehnt.

Am 23. Januar 2017 wurde Shams von der Polizei abgeholt, am Abend in eine Boeing 767 gesetzt und nach Kabul gebracht. Seine Rechtsanwältin hatte in mehreren Eilanträgen beim Verwaltungsgericht, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof und zuletzt beim Bundesverfas- sungsgericht versucht, die Abschiebung zu verhindern. Der Richter am Bundesverfassungsgericht erlaubte schließlich die Abschiebung, nachdem die zuständige Zentrale Ausländerbehörde Niederbayern versichert hatte, Herr Ahmadi habe ausreichend Medikamente dabei, und obendrein den Kontakt zu einer psychosozialen Einrichtung in Kabul. Beides konnte Shams nach seiner Ankunft nicht bestätigen. Er kam ohne Medikamente in Kabul an. Was ihn erwartete, ähnelte einem kalten Entzug, der ihn, zusammen mit der Abschiebeerfahrung, aus seinem mühsam austarierten psychischen Gleichgewicht warf.

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