‚Bio-deutsch‘ versus ‚Ausweis-deutsch‘?

Von Ina Schildbach

Die Debatte um den ‚Fall Özil‘ zeugt von einem unbedingten Anspruch auf Loyalität, den Staat und Öffentlichkeit gegenüber den Bürgern geltend machen:Wie viel‚Abweichung‘ darf in diesen rechten Zeiten noch sein? Und ist ‚bio-deutsch‘ der neue Maßstab für Deutsch-sein?

„Auch ich würd‘ sagen,
in einem Land, wo der Egoismus grundsätzlich diffamiert wird, ist was faul.“
(Ziffel in Brechts Flüchtlingsgesprächen)

Seit sich die Fußballer Mesut Özil und Ilkay Gündoğan mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan getroffen haben, vergeht kaum ein Tag, an dem der ‚Fall‘ nicht thematisiert wird. Ging es anfangs primär darum, inwiefern sich an dem Treffen eine misslungene Integrationspolitik manifestiert, hat sich die Debatte, vor allem durch Özils Stellungnahme, zur Frage fortentwickelt, ob die Beschimpfungen Ausdruck von Rassismus sind – wobei sie kaum sachlich gestellt, sondern auf der Ebene der Be- oder Entschuldigung Deutschlands angesiedelt ist. Ich möchte im Folgenden darlegen, inwiefern die in der Debatte angelegten Maßstäbe von einer beängstigenden nationalistischen und rassistis- chen Gesinnung zeugen – und damit nicht Anlass zur moralischen Empörung geben sollten, sondern eine Kritik der geltend gemachten Ansprüche dringend geboten erscheinen lassen.

Özil ist ein erfolgreicher Fußballspieler, der für Deutschland 2014 den Weltmeister-Titel holte. Insofern dient er diesem Land – was jedoch offenbar nicht ausreicht, um den Anspruch zu erfüllen, der ihm entgegengebracht wird. Treffend hat dies die CSU in einem Tweet zusammengefasst: „Mehr als ein Trikot. Ein Bekenntnis zu unserem Land“, so die Positionierung der Partei in der Debatte um das Treffen Özils und Gündoğans mit dem türkischen Präsidenten. Was heißt es also, dass Fußballspieler im Deutschland- Trikot ein Bekenntnis zu „unserem Land“ abgeben?

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